Gleichbehandlung der Anwohner

Öffentliches und privates Baurecht, Bebauungsrecht, Nachbarrecht

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Anaju
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Gleichbehandlung der Anwohner

Beitrag von Anaju »

Ich würde gerne wissen, wie folgende Fragestellung zu betrachten ist.

Eine Gemeinde will ein neues Baugebiet ausweisen, das direkt an bestehende Bebauung grenzt. Noch bevor der erste Planentwurf verabschiedet wird führen die in der Gemeinderatssitzung bekannt gewordenen Pläne zu großem Widerstand bei den Anwohnern im direkt angrenzenden Wohngebiet. Dort ist ausschließlich einstöckige Bebauung erlaubt, im neuen Baugebiet sollen die Häuser viel höher werden können. Die Anwohner befürchten eine starke Verschattung und eine "Einmauerung" ihrer Grundstücke. Unter diesem Druck lässt die Gemeinde die Pläne überarbeiten, um die für die bestehenden Anwohner sichtbaren Häuserhöhen zu reduzieren und die Verschattung nach eigenen Aussagen zu minimieren. Dazu entfällt eine ganze Häuserreihe im neuen Plangebiet, die geplante Straße kann 9 m weiter südlich und einige Meter tiefer im Gelände verlaufen, die Höhen der zukünftigen Häuser basieren auf dem Niveau dieser neuen Straße, womit für die bestehenden Anwohner lediglich eine Höhe von 4,5-5,5 m sichtbar bleibt. All dies erfolgt aber nur für 12 von 13 bestehenden Anwohnern, bei einem Anwohner soll es weiterhin zwei statt eine Häuserreihe vor seinem Grundstück geben, dieses mittlere Grundstück wird dabei durch eine Stichstraße angebunden die höher liegt als die untere Straße, wodurch es fast keinen Höhenunterschied zwischen Bestandsbebauung und zukünftiger Bebauung gibt und die sichtbare Gebäudehöhe für den bestehenden Anwohner 7,50 m beträgt, also erheblich höher als die anderen Anwohner mit deutlich negativen Folgen hinsichtlich Verschattung und optischem Effekt . Es gibt jedoch keinen zwingenden sachlichen Grund, diese Aufteilung beizubehalten, wie bei den anderen Anwohnern könnte das mittlere Grundstück entfallen. Zwar würde das neue Grundstück dann länger und größer werden, aber nicht länger und größer als andere Grundstücke im Baugebiet auch. Oder die Stichstraße könnte auf dem Niveau der unteren Straße verlaufen und die Häuserhöhe für die mittlere Reihe dann auf diesem Niveau basieren, ein Bauingenieur hat signalisiert, dass dies technisch möglich wäre. Alternativ könnte auch das Baufenster auf dem mittleren Grundstück so verändert werden, dass der bestehende Anwohner weniger Verschattung auf sich nehmen muss.

Wie sieht die Rechtslage für den betroffenen Anwohner aus, hat er erfolgversprechende Möglichkeiten, rechtlich gegen diese offensichtliche Ungleichbehandlung vorzugehen und Gleichbehandlung mit den anderen Anwohnern zu fordern, denen eine erhebliche Reduzierung der Verschattung und optische Verbesserung zugute kam?
ralph12345
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Re: Gleichbehandlung der Anwohner

Beitrag von ralph12345 »

Ein Eigentümer eines Grundstückes hat keinen Anspruch darauf, dass benachbarte Grundstücke in irgendeiner Weise so beplant oder bebaut werden, dass er keinerlei wie auch immer geartete Einschränkungen zu ertragen hat. Für die Wahrung der direkten Interessen der Eigentümer gibt es die Landesbauordnungen in denen nachbarschaftsschützende Vorschriften beschrieben sind, allen voran die Abstandsflächen. D.h. ein 20m hohes Hochhaus wird keine 3m von der Grenze entfernt stehen dürfen. Aber alles, was diese Vorschriften erfüllt, ist machbar, ob das nun Schatten wirft, Lärm erzeugt oder den Charakter des heimeligen Häuschens im grünen verändert. Der Rest ist Gestaltungsfreiraum der Gemeinde, die den B-Plan entwirft und deren Ermessensspielraum, was sie vom Stadtbild her gestalten möchte und was sie den bestehenden Bürgern zumutet.

Wenn man möchte, dass 20m vor dem eigenen Haus nichts bauliches passiert, muss man diese 20m kaufen.
Dimeto
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Re: Gleichbehandlung der Anwohner

Beitrag von Dimeto »

Anaju hat geschrieben: Der Rest ist Gestaltungsfreiraum der Gemeinde, die den B-Plan entwirft und deren Ermessensspielraum, was sie vom Stadtbild her gestalten möchte und was sie den bestehenden Bürgern zumutet.
Dennoch muss sich die Gemeinde an städtebauliche Grundsätze halten und ihre Planung ausführlich begründen. Wenn es tatsächlich so ist, dass nur ein Nachbar durch eine eng begrentze singuläre Festsetzung unverhältnismäßig beeinträchtigt wird, könnte der Bebauungsplan angreifbar sein. Dazu müsste sich der Anwohner aber im Rahmen der Bürgerbeteiligung fristgerecht mit seinen Bedenken der Gemeinde gegenüber erklärt haben, am besten schriftlich. Und die Gemeinde müsste sich zu den Bedenken äußern. Sollten Fristen seitens des Anwohners versäumt worden sein, wird Widerstand zwecklos sein. Haben die Stadtplaner ihre Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht, könnte nach Prüfung der Faktenlage durch einen Fachanwalt eine Normenkontrollklage in Erwägung gezogen werden.
Anaju
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Re: Gleichbehandlung der Anwohner

Beitrag von Anaju »

Danke für die Antworten bisher.

@ralph: es geht nicht darum, dass alles vor dem Grundstück frei bleibt, es geht darum, dass dieser Eigentümer genauso behandelt werden möchte wie die anderen Eigentümer, für die explizit die bisherigen (noch nicht verabschiedeten) Entwürfe geändert wurden, um eine Verbesserung zu erreichen. Nur für diesen einen Eigentümer wurde die angestrebte Verbesserung (Verschattungsverminderung) nicht erreicht, weil die Aufteilung vor dem Grundstück nicht geändert wurde. Ankauf von einem Teil der Fläche erwägt der Anwohner durchaus, aber wer sagt denn, dass die Gemeinde das zulässt? Denn dann funktioniert ihre Planung wieder nicht. Das ganze Grundstück zu kaufen scheitert am Verfahren und den Bedingungen, denn die Grundstücke selbst werden in einem Losverfahren mit zu erfüllenden Kriterien vergeben (Alter, Immobilienbesitz bereits vorhanden oder nicht, Kinder etc.), bei dem dieser Anwohner kaum eine Chance hat, wahrscheinlich gar nicht.

@Dimeto: die Beteiligung der Öffentlichkeit/Bürgerbeteiligung hat noch gar nicht stattgefunden, steht aber in den nächsten Wochen an. Durch die massiven Proteste aller Anwohner sind die bisherigen Vorentwürfe nicht verabschiedet worden (hätte eigentlich im November 2016 stattfinden sollen) und die Gemeinde hat die Pläne überarbeiten lassen. Letzte Woche wurde dieser überarbeitete Plan nun verabschiedet. Selbstverständlich wird der Anwohner dabei alle seine Bedenken noch einmal (fristgerecht) äußern, sie sind aber längstens bekannt gemacht worden (mehrere Anwohnerschreiben, Gespräche mit Bürgermeister und Gemeinderäten, öffentliche Infoveranstaltung, Demonstration vor dem Rathaus, Zeitungsberichte...) und haben ja bei den anderen Anwohnern für eine deutliche Verbesserung geführt. Nur bei diesem einen Anwohner eben nicht. Bezüglich der Begründung der Planung: ich glaube nicht, dass dort zu lesen sein wird, dass die Planung so durchgeführt wurde, dass den bestehenden Anwohnern möglichst wenig Verschattung entsteht, sondern nur "allgemeine" Begründungen, wie Bedarf an Wohnungen etc., so dass dieser Punkt schwer anzugreifen sein wird. Eine Anwaltshotline wurde bereits kontaktiert, der Anwalt musste aber leider zugeben, dass er auch keine genaue Aussage machen kann, wie der Fall rechtlich zu betrachten ist.
Dimeto
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Re: Gleichbehandlung der Anwohner

Beitrag von Dimeto »

Dimeto hat geschrieben:Letzte Woche wurde dieser überarbeitete Plan nun verabschiedet.
Ein Bebauungsplanverfahren läuft nach festen im BauGB beschriebenen Regeln ab. Manche Gemeinden erweitern das Verfahren sogar noch um eine freiwillige frühzeitige Bürgerbeteiligung, um eventuellen Widerständen frühzeitig zu begegnen und in der Planung zu berücksichtigen. Demnach sind die Verfahrensstäde:
1. Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung (freiwillig)
2. Aufstellungsbeschluss
3. Offenlage
4. Rechtskraft
Wenn ein Bürger während der Offenlage Anregungen und Bedenken äußert, so muss die Gemeinde darauf reagieren, indem sie den Plan ändert oder in Abwägung der unterschiedlichen Interessen begründet, warum die Bedenken nicht in die Planung einfließen. Wenn eine Gemeinde schlüssig den Bedarf an Wohnungen nachweisen kann und nachvollziehbar Interessen, wie z.B. den notwendigen Flächenverbrauch oder die Beeinträchtigungen für die Anwohner, abgewogen hat, kann man sich die Klage sicher sparen.
Dimeto hat geschrieben:Eine Anwaltshotline wurde bereits kontaktiert,
Es spielen so viele Fakten eine Rolle, dass nur ein versierter Fachanwalt, der sich intensiv mit dem Fall beschäftigt, abschätzen kann, ob die Gemeinde rechtssicher gearbeitet hat und eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Eine Anwaltshotline oder ein Forum können da allenfalls bei der Entscheidung helfen, ob man den Schritt zum Anwalt machen will.
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