Flugstornierung

Reisevertragsrecht, Reisevermittlungsrecht, Reiseversicherungsrecht, Luft-, Bus-, Bahn- und Schiffsbeförderungsrecht

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seefussballer
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Flugstornierung

Beitrag von seefussballer »

Ist es richtig, das eine Fluggesellschaft, unabhängig davon, das sie einen Tarif als nicht stornierbar bepreist, bei einer Stornierung trotzdem sämtliche Gebühren erstatten muss, also im folgendem Beispiel nur den reinen Flugpreis in Höhe von 98 Euro einbehalten darf?

Flugpreis (Netto) € 98,00
Luftverkehrssteuer € 41,49
Flughafengebühren € 5,50
Passagiergebühren € 18,14
sonstige Gebühren € 19,63
Treibstoff- und Sicherheitszuschlag € 280,00
Payment Charge* € 0,00
Preis pro Passagier € 462,76


Wie ist die Rechtslage?
klausschlesinger
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Re: Flugstornierung

Beitrag von klausschlesinger »

Die Fluggesellschaft muß sämtliche Steuern und Gebühren für Dritte (bspw. Flughafenbetreiber, Start- und Landegebürhen, Gebühren für staatliche Sicherheitskontrollen erstatten, und zwar vollständig und unter Nichterhebung einer Bearbeitungsgebühr dem Passagier eerstatten, wenn dieser seinen gebuchten Flug storniert oder nicht antritt.
Hierzu Urteile: LG Köln vom 28.10.2010, Az.: 31 O 76/19 und LG Köln vom 05.06.2013, Az.: 26 O 481/12

Der Treibstoff- oder Kerosinzuschlag ist meistens nicht für Dritte bestimmt und somit in den meisten Fällen Preisbestandteil der Airlines (in den Airline-AGB nachlesen). Wenn er Preisbestandteil ist, ist er nicht erstattbar.

Kann der Kunde beweisen, daß sein gebuchter Sitzplatz anderweitig verkauft wurde, dann ist ihm zusätzlich zu den Steuern und Gebühren für Dritte der gesamte Ticketpreis minus fünf Prozent zu erstatten. Der Beförderungsvertrag ist ein Unterfall des Werkvertrags und somit kommt § 649 zum Zuge, der auch nicht durch AGB ausgeschlossen werden kann.
Hierzu:
Mit einem Urteil stärkt das Landgericht Frankfurt die Rechte von Fluggästen: Storniert der Passagier seinen Flug vor Antritt der Reise, bekommt er nicht nur Steuern und Gebühren erstattet. Er hat auch Anspruch auf zumindest einen Teil des Flugpreises, selbst wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft vorsehen, dass dieser nicht erstattet wird.
Wie die Frankfurter Richter entschieden, muss die Airline in solchen Fällen mit dem Fluggast abrechnen. Unter anderem muss sie darlegen, „ob und wenn ja zu welchem Preis sie die stornierten Flug-Tickets an Dritte weiterverkaufen konnte“. In dem vorliegenden Fall hatte die Klägerin Tickets bei Alitalia gebucht, aber mehr als ein halbes Jahr vor dem Flug wieder storniert. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Flüge mindestens zu dem ursprünglichen Preis weiterverkauft werden konnten, so das Gericht.
Da die Airline auf Aufforderung des Gerichts nicht das Gegenteil belegte, wurde sie zur Rückzahlung des vollen Flugpreises verurteilt (LG Frankfurt, Az.: 2-24 S 152/13). Reiserechtler Ernst Führich nennt den Richterspruch vom 6. Juni 2014 „ein wegweisendes neues Urteil“. Quelle: http://www.touristik-aktuell.de/nachric ... erstatten/

Mein Kommentar zum dem Frankfurter Urteil: Über das Urteil des Landgerichts Frankfurt sollte man sich nicht zu früh freuen. Ob ein storniertes Ticket weiterverkauft werden konnte, lässt sich letztlich erst unmittelbar vor Abflug feststellen und dann auch nur, wenn der Flug in der entsprechenden Sitzplatzklasse komplett ausgebucht ist, denn nur dann ist sicher, dass die Fluggesellschaft es hat erneut verkaufen können. So lange aber beim Abflug nur ein einziger freier Platz buchbar ist, wird sich eine Fluggesellschaft wohl darauf berufen können, dass genau das stornierte Ticket nicht erneut verkauft werden konnte.

Zur Thematik siehe auch: http://fluggastrecht.blogspot.de/2014/0 ... g-bei.html
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Re: Flugstornierung

Beitrag von seefussballer »

Hmmm, deswegen wohl die schwammige Angabe "Treibstoff- und Sicherheitszuschlag € 280,00" in einer Summe?
Müssten die das nicht auch getrennt ausweisen?

Wie ist die Rechtslage?
ktown
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Re: Flugstornierung

Beitrag von ktown »

Ähm ich glaube bei all diesen Verhandlungen handelte es sich um stornierbare Tickets. Hier hat der Kunde von vornherein einen Tarif gewählt, der ihm eine Stornierung ausdrücklich verweigert.
Alles, was ich schreibe, ist meine private Meinung.

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Re: Flugstornierung

Beitrag von klausschlesinger »

seefussballer hat geschrieben:Hmmm, deswegen wohl die schwammige Angabe "Treibstoff- und Sicherheitszuschlag € 280,00" in einer Summe?
Müssten die das nicht auch getrennt ausweisen?
Viele Arilines erheben neben der staatlichen Sicherheitsgebühr (für die Kontrolle am Flughafen durch die Bundespolizei oder deren Beauftragte) einen zusätzlichen Posten für Kosten für Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Unternehmen der Airline. Letzterer wäre Preisbestandteil, da er nicht für Dritte bestimmt ist, ähnlich wie der Treibstoffzuschlag.
ktown hat geschrieben:Ähm ich glaube bei all diesen Verhandlungen handelte es sich um stornierbare Tickets. Hier hat der Kunde von vornherein einen Tarif gewählt, der ihm eine Stornierung ausdrücklich verweigert.
Es stimmt, daß in den allermeisten Fällen heutzutage preiswerte sogen. 'nichtstornierbare' Tarife mit restirktiven Tarifregeln gebucht werden. - Nur eine Minderheit (z. B. Geschäftsleute) bucht teure und flexible Tickets.

Der einwand von 'ktown' ändert aber nichts an der rechtlichen Beurteilung:
Ob das Ticket stornierbar ist oder nicht spielt für die Beurteilung, ob die Steuern und Gebühren für Dritte zurückzuhahlen sind oder nicht, keine Rolle. Diese sind in jedem Fall dem Passagier zu erstatten, wenn er seinen Flug nicht antritt. Diese Gebühren werden von den staatlichen Behörden und Flughafenbetreibern der Airline erst in Rechnung gestellt, wenn der Kunde auch tatsächlich abfliegt.

Zur Erstattbarkeit des reinen Flugpreises im Falle des von Passagierseite freiweilligen Nichtflugantritts hatte ich bereits geschrieben:
klausschlesinger hat geschrieben: Kann der Kunde beweisen, daß sein gebuchter Sitzplatz anderweitig verkauft wurde, dann ist ihm zusätzlich zu den Steuern und Gebühren für Dritte der gesamte Ticketpreis minus fünf Prozent zu erstatten. Der Beförderungsvertrag ist ein Unterfall des Werkvertrags und somit kommt § 649 zum Zuge, der auch nicht durch AGB ausgeschlossen werden kann.
Hierzu:
Mit einem Urteil stärkt das Landgericht Frankfurt die Rechte von Fluggästen: Storniert der Passagier seinen Flug vor Antritt der Reise, bekommt er nicht nur Steuern und Gebühren erstattet. Er hat auch Anspruch auf zumindest einen Teil des Flugpreises, selbst wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft vorsehen, dass dieser nicht erstattet wird. (LG Frankfurt, Az.: 2-24 S 152/13).
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Re: Flugstornierung

Beitrag von ktown »

Heißt also im Umkehrschluss. Die Preispolitik der Airlines mit nicht stornierbaren Tickets ist Makulatur, da dem Kunden ca. 80% des Flugpreises bei Nichtantritt der Reise wieder zusteht und somit das Kostenrisiko wieder bei der Airline liegt.
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Re: Flugstornierung

Beitrag von klausschlesinger »

ktown hat geschrieben:Heißt also im Umkehrschluss. Die Preispolitik der Airlines mit nicht stornierbaren Tickets ist Makulatur, da dem Kunden ca. 80% des Flugpreises bei Nichtantritt der Reise wieder zusteht und somit das Kostenrisiko wieder bei der Airline liegt.
Nicht ganz!

Der Passagier mit einem 'nicht-stornierbaren Ticket' hat nur Anspruch auf Rückzahlung eines Großteils des reinen Flugpreises, wenn die Airline das Ticket anderweitig verkauft oder böswillig es unterläßt, das Ticket anderweitig zu verkaufen.
Das kann der Passagier m. E. nur dann nachweisen, wenn die Maschine in der entsprechenden Sitzplatzklasse voll ausgebucht war oder wenn er gegenüber der Airline einen Ersatzpassagier benennt.

Dagegen hat der Passagier mit einem von vornherein '(voll-)stornierbaren Ticket' in jedem Fall Anspruch auf Erstattung des Flugpreises, wenn er das Ticket nicht nutzt; auch dann, wenn der Sitzplatz nicht anderweitig verkauft werden kann.
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Re: Flugstornierung

Beitrag von cobalt »

Wie kommt der kleine Mann da zu seinem Recht?
Hört sich so an, als brauche man dazu einen Anwalt.
.....Und ich hab z.B. keine Rechtschutzversicherung ...aber eben genau dieses Problem.
klausschlesinger
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Re: Flugstornierung

Beitrag von klausschlesinger »

cobalt hat geschrieben:Wie kommt der kleine Mann da zu seinem Recht?
Hört sich so an, als brauche man dazu einen Anwalt.
Nicht unbedingt!
1.
Die Kosten eines Rechtsstreits -dazu gehören auch die Kosten des eigenen Anwalt- werden letztendlich demjenigen auferlegt, der im Verfahren obsiegt.
2.
Man wählt das für den Passagier kostenlose Schlichtungsverfahren vor der neutralen 'Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V.'. Mehr dazu: http://fluggastrecht.blogspot.de/2014/0 ... ichen.html
3.
Man wählt einen kostenpflichtigen Dienst wie z. B.: http://www.flug-storno.de/hilfe.html , welche die Aufgabe übernehmen, für einen die Forderung einzutreiben. Dafür behält dieser Dienst jedoch eine Gebühr von der erstrittenen Summe ein.
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