Flugstornierung mit Zwischenstopp

Reisevertragsrecht, Reisevermittlungsrecht, Reiseversicherungsrecht, Luft-, Bus-, Bahn- und Schiffsbeförderungsrecht

Moderator: FDR-Team

Finolino
Topicstarter
FDR-Mitglied
Beiträge: 65
Registriert: 09.11.05, 14:07

Flugstornierung mit Zwischenstopp

Beitrag von Finolino »

Liebe FDRler,

folgender fiktiver Fall interessiert mich:

A bucht über ein Flugreiseportal einen Flug nach Südamerika mit Zwischenstopp in Istanbul. Angenommen nach der Buchung passiert folgendes:
Die Muttergesellschaft des Flugreiseportals meldet Insolvenz an. Die Geschehnisse in Istanbul seien mit denen der jüngsten Vergangenheit identisch: Anschlag auf den Flughafen, versuchter Militärputsch, ausgerufener Ausnahmezustand.

Da A sich nun nicht mehr wohl damit fühlen würde, in Istanbul zwischenzulanden erkundigt sich A nach den Stornobedinungen. Ihm werden ca. 10 Prozent der bezahlten Summe als Rückerstattung angeboten. A willigt nicht ein. Der Flug soll in 2 Monaten stattfinden.

Meine Fragen hierzu:
1. Im Internet liest man mit Verweis auf verschiedene Gerichtsurteile, dass A 95% der gebuchten Summe zustehen, da die Airline bei Stornierung Kosten einspart und den Flug weiterverkaufen könnte. Wie kann A sein Recht idealerweise durchsetzen?
2. Was ändert sich, falls das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für die Türkei ausspricht?
3. Was ändert sich, falls das Flugreiseportal seiner Muttergesellschaft folgt und insolvent geht?
4. A hat per Lastschrift bezahlt. Was passiert, wenn A die Lastschrift rückgängig macht? Erwirkt dies eine automatische Stornierung?


Vielen Dank für Ihre/Eure Hilfe.
Finolino
FM
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 24406
Registriert: 05.12.04, 16:06

Re: Flugstornierung mit Zwischenstopp

Beitrag von FM »

Finolino hat geschrieben: 1. Im Internet liest man mit Verweis auf verschiedene Gerichtsurteile, dass A 95% der gebuchten Summe zustehen, da die Airline bei Stornierung Kosten einspart und den Flug weiterverkaufen könnte.
"Im Internet" und "verschiedene Gerichtsurteile" ist so ziemlich genau die unbrauchbarste Quellenangabe die es gibt.

Warum meinen diese unbekannten Gerichte, man könne derzeit Flüge in die Türkei problemlos weiterverkaufen, trotz Anschlägen am Flughafen und Gefahr erneuter Militärputsche? Warum meinen sie, die Ersparnis bei Nichtantritt (also wohl das eingesparte Essen/Getränk und einige Promille des Treibstoffes) würden 95 % der Kosten ausmachen?
ExDevil67
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 8332
Registriert: 17.01.14, 09:25

Re: Flugstornierung mit Zwischenstopp

Beitrag von ExDevil67 »

Lastschrift ist nur die Zahlmethode mit der man der eigenen Verpflichtung aus dem Vertrag nachkommt. Eine Rücklastschrift ändert nix am Vertrag den man geschlossen hat, bringt einem nur weiteren Ärger ein.
Finolino
Topicstarter
FDR-Mitglied
Beiträge: 65
Registriert: 09.11.05, 14:07

Re: Flugstornierung mit Zwischenstopp

Beitrag von Finolino »

Vielen Dank Ihnen beiden für Ihre schnellen Antworten.
FM hat geschrieben:
"Im Internet" und "verschiedene Gerichtsurteile" ist so ziemlich genau die unbrauchbarste Quellenangabe die es gibt.
Da haben Sie natürlich Recht, entschuldigung :roll:

Ich verweise hierzu auf den Beitrag von User klausschlesinger aus einem anderen Thread:
klausschlesinger hat geschrieben:Die Fluggesellschaft muß sämtliche Steuern und Gebühren für Dritte (bspw. Flughafenbetreiber, Start- und Landegebürhen, Gebühren für staatliche Sicherheitskontrollen erstatten, und zwar vollständig und unter Nichterhebung einer Bearbeitungsgebühr dem Passagier eerstatten, wenn dieser seinen gebuchten Flug storniert oder nicht antritt.
Hierzu Urteile: LG Köln vom 28.10.2010, Az.: 31 O 76/19 und LG Köln vom 05.06.2013, Az.: 26 O 481/12

[...]

Zur Thematik siehe auch: http://fluggastrecht.blogspot.de/2014/0 ... g-bei.html
klausschlesinger
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 245
Registriert: 21.06.12, 17:23
Kontaktdaten:

Re: Flugstornierung mit Zwischenstopp

Beitrag von klausschlesinger »

1.
Ob das Flugreiseportal Insolvenz anmeldet oder nicht, ist nicht von Belang. Das Flugreiseportal ist ein Online-Reisebüro und somit wie jedes stationäre Reisebüro ein Vermittler von Flügen, Mietwagen, Hotel-Aufenthalten, und Pauschalreisen. Nach Vermittlung dieser Reisediensleistunen bestehen direkte Vertragsbeziehungen zwischen dem Reisenden/Passagier einerseits und dem Luftfahrunternehmen/dem Mietwagenverleiher/dem Pauschalreiseveranstalter/dem Hotelier andererseits. Wenn das Flugreiseportal Insolvenz angemeldet hat und es die Kundengelder bereits an den Vertragsparner (Airline, Hotelier, Reiseveranstalter) weitergeleitet hat, ändert sich nichts. Probleme könnte es nur geben, wenn das Flugreiseportal die Kundengelder für seinen eigenen Zwecke unterschlägt und nicht weiterleitet.

2.
Im Falle von 'höherer Gewalt' am Ort der Zwischenlandung hat der Passagier das Recht vom Vertrag zurück zu treten, es sei denn, das Luftfahrtunternehmen offeriert dem Passagier einen alternativen Flugplan unter vergleichbaren Bedingungen ohne die Zwischenlandung am Ort, wo 'höhere Gewalt' herrscht.
Dass für Istanbul in den nächsten Tagen/Wochen/Monaten die Gefahr besteht, daß 'höhere Gewalt' entritt, sehe ich als äußerst gering an, denn der türk. Ministerpräsident, Herr Erdogan, nimmt ja z. Z. ein Großreinemachen bzw. eine Säuberung vor.

3.
Das Stornieren einer Lastschrift erwirkt keine automatische Stornierung des zwicshen dem Kunden und dem Flugunternehmen geschlossenen Vertrages. Der Kunde ist verpflichtet zu zahlen ud die Airline ist im Gegenzug verpflcihtet, den Kunden von A nach B zu befördern. Sollte das Flugreiseportal inkassoberechtigt sein, bleibt nur zu hoffen, daß es die Kundengelder an die Airline weitergeleitet hat und nicht für eigene andere Zwecke mißbraucht hat.

4.
Im Falle der Stoenierung hat der Passagier das Recht, Steuern und Gebühren von de Airline in voller Höhe erstattet zu bekommen.
Darüber hinaus: 'Storniert der Passagier seinen Flug vor Antritt der Reise, bekommt er nicht nur Steuern und Gebühren erstattet. Er hat auch Anspruch auf zumindest einen Teil des Flugpreises, selbst wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft vorsehen, dass dieser nicht erstattet wird, etwa bei nicht flexiblen Tarifen.

Wie die Frankfurter Richter entschieden, muss die Airline in solchen Fällen mit dem Fluggast abrechnen. Unter anderem muss sie darlegen, „ob und wenn ja zu welchem Preis sie die stornierten Flug-Tickets an Dritte weiterverkaufen konnte“.

In dem vorliegenden Fall hatte die Klägerin Tickets bei Alitalia gebucht, aber mehr als ein halbes Jahr vor dem Flug wieder storniert. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Flüge mindestens zu dem ursprünglichen Preis weiterverkauft werden konnten, so das Gericht.

Da die Airline auf Aufforderung des Gerichts nicht das Gegenteil belegte, wurde sie zur Rückzahlung des vollen Flugpreises verurteilt (LG Frankfurt, Az.: 2-24 S 152/13). Reiserechtler Ernst Führich nennt den Richterspruch vom 6. Juni 2014 „ein wegweisendes neues Urteil“. Quelle: http://www.touristik-aktuell.de/nachric ... erstatten/

...

Mein Kommentar zum dem Frankfurter Urteil: Über das Urteil des Landgerichts Frankfurt sollte man sich nicht zu früh freuen. Ob ein storniertes Ticket weiterverkauft werden konnte, lässt sich letztlich erst unmittelbar vor Abflug feststellen und dann auch nur, wenn der Flug komplett ausgebucht ist, denn nur dann ist sicher, dass die Fluggesellschaft es hat erneut verkaufen können. So lange aber beim Abflug nur ein einziger freier Platz buchbar ist, wird sich eine Fluggesellschaft wohl darauf berufen können, dass genau das stornierte Ticket nicht erneut verkauft werden konnte.' Quelle: http://fluggastrecht.blogspot.de/2014/0 ... g-bei.html
Ich mache zwei Kampfsportarten: Ju-Jutsu und Jura. - Jura ist die schwierigere!
'Es sei nicht immer zu verlangen, „dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“.' (BVerfG)
ExDevil67
FDR-Mitglied
FDR-Mitglied
Beiträge: 8332
Registriert: 17.01.14, 09:25

Re: Flugstornierung mit Zwischenstopp

Beitrag von ExDevil67 »

klausschlesinger hat geschrieben: Mein Kommentar zum dem Frankfurter Urteil: Über das Urteil des Landgerichts Frankfurt sollte man sich nicht zu früh freuen. Ob ein storniertes Ticket weiterverkauft werden konnte, lässt sich letztlich erst unmittelbar vor Abflug feststellen und dann auch nur, wenn der Flug komplett ausgebucht ist,
Grundsätzlich sehe ich das ähnlich, wobei ich das eher genereller sehe. Wenn die Anzahl der freibleibenden Sitze < Anzahl von mir gebucht und dann stornierter Sitze ist, dürfte zumindest für die Differenz klar sein das die Airline die anderweitig verkaufen konnte.
Antworten Thema auf Facebook veröffentlichen Thema auf Facebook veröffentlichen