Definition von selbstständiger Tätigkeit

Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II, Berufsgenossenschaften, Renten, Schwerbehinderung ,Kranken- und Pflegeversicherung

Moderator: FDR-Team

monter
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Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von monter »

Guten Tag

die folgende Frage soll Thema dieses Threads sein: Wann ist jemand im sozialversicherungsrechtlichen Sinne Selbstständig?

Nehmen wir folgendes hypothetisches Szenario:

Szenario:
X hat beim Finanzamt ganzjährig eine Selbstständige Tätigkeit gemeldet. In einem unterjährigen Zeitraum dieses Jahrs, der sich über mehrere Monate erstreckt, bewirbt er jedoch seine Tätigkeit nicht, nimmt keine neuen Aufträge an und bearbeitet auch keine Aufträge. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit Rücklagen. Zu welchen Zeiträumen des Jahres ist X im sozialversicherugnsrechtlichen Sinne selbstständig, und ggf. zu welchen nicht? (jeweils auf welcher konkreten Rechtsgrundlage).


Beste Grüße,
Monter
SusanneBerlin
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von SusanneBerlin »

Hallo,

mein Lösungsvorschlag beruht auf folgender Betrachtung:
wenn X nicht selbständig wäre, dann würde er entweder einer abhängigen Beschäftigung nachgehen oder sich arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen.

Ein X, der beides nicht ist (weder in einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis noch bei der Arbeitsagentur gemeldet ist), der muss wohl selbständig sein.
Grüße, Susanne
monter
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von monter »

SusanneBerlin hat geschrieben:Hallo,

mein Lösungsvorschlag beruht auf folgender Betrachtung:
wenn X nicht selbständig wäre, dann würde er entweder einer abhängigen Beschäftigung nachgehen oder sich arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen.


Ein X, der beides nicht ist (weder in einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis noch bei der Arbeitsagentur gemeldet ist), der muss wohl selbständig sein.
Sie gehen jetzt den umgekehrten Weg nach dem Ausschlussprinzip. Darf ich um Angabe der Rechtsgrundlage bitten? :)

Ich argumentiere jetzt mal so:

Wer nicht abhängig beschäftigt ist und nicht arbeittssuchend ist entweder selbstständig oder Privatier (in letzterem Fall lebt derjenige von Rücklagen). In Ihrer Argumentation fehlt noch die Angabe, wie Privatier und Selbstständige voneinander abzugrenzen sind. :) Die Krankenkassen sehen diesen Fall offenbar vor, sonst gäbe es nicht die sogenannte freiwillige Versicherung für Mitgleider ohne eigenes Einkommen.
vikingz
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von vikingz »

Es gibt keine Rechtsgrundlage, sondern mehr so etwas wie entwickelte Rechtsprechung. Kann aber auch vor Gericht jeder Fall anders enden. Vor Gericht und auf hoher See...

Wenn X ganzjährig beim Finanzamt als Selbstständiger geführt wird, ist das ein Indiz, das stark für das Vorliegen der Selbstständigkeit spricht.
Hat er ein Gewerbe angemeldet und meldet dieses auch nicht ab, spricht das ebenfalls für den Status.

Erklärt er der Kasse, dass seine Tätigkeit ruht und er auch keine Einkünfte erzielt, dann kann die Kasse das glauben oder nicht.

Wäre ich im Sachverhalt die Kasse, dann würde ich das glauben. Man kann streiten oder es bleiben lassen. Natürlich gibt es aber auch noch andere Meinungen als meine eigene.
webelch
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von webelch »

Warum wird hier vom TE immer der gleiche Sachverhalt in mehr oder weniger veränderter Form eingestellt? Kann das nicht mal alles zu einem Thread verbunden werden?

Oder wird immer noch nach der Wunschantwort gesucht.
monter
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von monter »

vikingz hat geschrieben:Es gibt keine Rechtsgrundlage, sondern mehr so etwas wie entwickelte Rechtsprechung. Kann aber auch vor Gericht jeder Fall anders enden. Vor Gericht und auf hoher See...
Vikingz! Das ist eine sehr erhellende, richtungsweisende Antwort für mich! Eine klare Ansage! Und das erklärt natürlich, warum ich bei meiner Recherche nach der Rechtsgrundlage so lange nichts gefunden habe.
Wenn X ganzjährig beim Finanzamt als Selbstständiger geführt wird, ist das ein Indiz, das stark für das Vorliegen der Selbstständigkeit spricht.
Hat er ein Gewerbe angemeldet und meldet dieses auch nicht ab, spricht das ebenfalls für den Status.

Erklärt er der Kasse, dass seine Tätigkeit ruht und er auch keine Einkünfte erzielt, dann kann die Kasse das glauben oder nicht.

Wäre ich im Sachverhalt die Kasse, dann würde ich das glauben. Man kann streiten oder es bleiben lassen. Natürlich gibt es aber auch noch andere Meinungen als meine eigene.
Ich fasse es mal so zusammen: Letzten Endes liegt es im Ermessen der Kasse. Wenn der für X unangenehmste Fall eintritt (d.h. GK geht von ganzjähriger Selbstständigkeit aus), könnte X zwar den Rechtsweg gehen, das wäre aber ein Hasardspiel.

Habe ich es richtig verstanden?

Off Topic:

Aus der Sicht eines juristischen Laien finde ich es beachtlich, dass es für einen doch nicht ganz unwichtigen Fall offenbar keine konkreten rechtlichen Regelungen gibt. Mal ganz provokatisch ausgedrückt: Letzten Endes ist das für GK und ggf. sogar für das Gericht ein Freibrief für Wilkür-Entscheidungen.
Charon-
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von Charon- »

monter hat geschrieben:offenbar keine konkreten rechtlichen Regelungen gibt.
Es kommt ein bisschen darauf an, von welcher Sozialversicherung wir reden (Rente, Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung) und warum die Selbstständigkeit relevant ist (Beiträge, Leistungen etc.), da es in der Tat unterschiedliche Konstellationen gibt.
Um der allgemeinen Sprachverwirrung des Siezens entgegenzuwirken, biete ich jedem Nutzer das dänische Umgangsduzen an.
monter
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von monter »

webelch hat geschrieben:Warum wird hier vom TE immer der gleiche Sachverhalt in mehr oder weniger veränderter Form eingestellt? Kann das nicht mal alles zu einem Thread verbunden werden?

Oder wird immer noch nach der Wunschantwort gesucht.
Diesen Sachverhalt habe ich bisher nur einmal eingestellt, im Steuerform verbunden mit einer Steuerfrage. Als es in den sozialversicherungsrechtlichen Bereich ging, wurde ich darauf verwiesen, dass das in ein anderes Forum gehört.

Oder falls Sie auf meine noch älteren Threads anspielen (ein Jahr und älter): Es sind immer Themen zu GKV- und Steuerfragen, richtig. M.E. jedoch immer zu anderen Sachverhalten bzw. andere Szenarien. In diesem fiktiven Fall ist es so: Der Einsteller betreibt Steueroptimierung. U.a. unter Nutzung der Kleinunternehmerregelung. Das heißt u.a.: Das Gesamt-EK ist nicht besonders hoch. Drastische, unerwartete Nachzahlungen (Steuern oder GKV-Prämien) könnten also tödlich sein. Daher muss X sich vorher alles genau überlegen. Sprich: Unterschiedliche Szenarien durchspielen. Jedoch BEVOR diese realisiert werden (nicht, dass sie am Ende nicht funktionieren! ;))

Überdies geht es auch um die rechtliche Absicherung: X will zwar legale Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, auf keinen Fall jedoch den Boden der Rechtmäßigkeit verlassen. Tabuzonen sind Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Demnach muss er sich sehr genau informieren, was seine Rechte sind und was nicht. X's Erfahrung nach geben die GKV-Mitarbeiter jedoch nicht immer alles an Info Preis, wenn diese zum Vorteil von X sein könnten. Was so gesehen auch Sinn macht, es sind die Mitarbeiter der GKV und nicht die Steuer-/Soz.Vers.-Optimierer von X! ;)

Nach einer Wunschantwort zu suchen macht denke ich keinen Sinn. Es macht m.E. Sinn, die objektive Rechtslage verstehen zu wollen. Wenn es, wie im vorliegenden Fall, keine objektive Rechtslage gibt, nur eine übliche Rechtssprechung, ist dass dann eben der Hintergrund vor dem X operieren kann/darf. Zudem kann es sich, nachdem er das weiß, die Mühe sparen, weiter nach einer Rechtslage zu suchen, die es so nicht gibt. ;)
Zuletzt geändert von monter am 20.04.17, 18:25, insgesamt 2-mal geändert.
monter
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von monter »

Charon- hat geschrieben:
monter hat geschrieben:offenbar keine konkreten rechtlichen Regelungen gibt.
Es kommt ein bisschen darauf an, von welcher Sozialversicherung wir reden (Rente, Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung) und warum die Selbstständigkeit relevant ist (Beiträge, Leistungen etc.), da es in der Tat unterschiedliche Konstellationen gibt.
Wir reden von GKV-Prämien, siehe das im Eingangspost beschriebene Szenario.

Wir sprechen von einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit, siehe das im Eingangs-Post beschriebene Szenario. D.h. RV oder gar AV spielen keine Rolle.
vikingz
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von vikingz »

monter hat geschrieben: Ich fasse es mal so zusammen: Letzten Endes liegt es im Ermessen der Kasse. Wenn der für X unangenehmste Fall eintritt (d.h. GK geht von ganzjähriger Selbstständigkeit aus), könnte X zwar den Rechtsweg gehen, das wäre aber ein Hasardspiel.

Habe ich es richtig verstanden?
Im Prinzip ja, es liegt aber natürlich im "pflichtgemäßen" Ermessen der GKV, das nicht rein willkürlich ausfallen darf. Vor allem nicht in jedem Fall anders nach Zufallsprinzip.

In einem Gerichtsurteil könnte letztlich ungefähr so etwas stehen wie "Im Rahmen einer Gesamtschau hat die Kasse alle ins Gewicht fallenden Kriterien gegeneinander abzuwägen, dem gesunden Menschenverstand entsprechend zu gewichten und zu einem dem Sachverhalt insgesamt angemessenen Ergebnis zu kommen, anhand der überwiegenden Merkmale des konkreten Sachverhalts."

1. "...es liegt also sozialversicherungsrechtlich keine selbstständige Tätigkeit vor, wenn diese faktisch nicht ausgeübt wird und keine Einkünfte erzielt werden"

oder

2. "...der gewollten Anlehnung an das Steuerrecht folgend ist der Kläger selbstständig tätig. Hätte er nicht selbstständig tätig sein wollen, dann hätte er dies ebenso schließlich auch dem Finanzamt mitgeteilt."

Für Ihre geschilderte Konstellation sind mir übrigens keine vergleichbaren Urteile bekannt.

/edit: ich behaupte mal dreist, für derart ungeregelte Situationen gibt es einfach deshalb keine Gerichtsurteile, weil es die Behörde im Zweifelsfall gar nicht aufs Gerichtsverfahren ankommen lässt.
vikingz
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von vikingz »

monter hat geschrieben:...es sind die Mitarbeiter der GKV und nicht die Steuer-/Soz.Vers.-Optimierer von X! ;)
Ergänzend, das sehen Sie so richtig, allerdings hat man als Behördenmitarbeiter schon oft den Eindruck, dass man vom Versicherten sofort als potenzieller Feind angesprochen wird.

Es gibt bestimmt schwierge Mitarbeiter bei jeder Behörde, die GKV ist aber nach dem erklärten Selbstverständnis und der gelebten Praxis aller relevanten Kassen in erster Linie Dienstleister, und nicht Anspruchsverweigerer. Schon allein aus Konkurrenzgründen.
windalf
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von windalf »

Man kann sich wie folgt vorher ein bisschen Rechtssicherheit holen. Man gestaltet ein paar Szenarien zu denen man sich entscheiden könnte im Detail schriftlich aus und bittet dann die Kasse um eine Stellungnahme, was würde gelten wenn... Also nicht irgendwelche Allgemeinen Fragen dahinschicken. Dann bekommt man nicht die Antwort die man haben will. Man braucht Szenarieren, die die Kasse dann prüfen/beurteilen soll.
...fleißig wie zwei Weißbrote
0x2B | ~0x2B
Zitat Karsten: Das beweist vor Allem, dass es windalf auch nicht gibt.
Old Piper
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von Old Piper »

monter hat geschrieben:Letzten Endes liegt es im Ermessen der Kasse. Wenn der für X unangenehmste Fall eintritt (d.h. GK geht von ganzjähriger Selbstständigkeit aus), könnte X zwar den Rechtsweg gehen, das wäre aber ein Hasardspiel.

Habe ich es richtig verstanden?
Nein. Das ist keine Ermessensfrage sondern eine Frage der Nachweisführung und -würdigung. Wenn der Selbständige nachweisen kann, dass er in bestimten Zeiträumen eben nicht selbständig ist, dann ist er es nicht. Einen einfachen Zuruf des Versicherten muss die Kasse nicht als Nachweis akzeptieren.
Beispiel: Ein selbständiger Lehrer/Dozent, der in den (Semester-)Ferien nicht unterrichtet, ist in diesen Zeiten dennoch weiterhin selbstständig. Das BSG begründet dies mit Zeiten der Unterrichtsvorbereitung, Gewinnung neuer Aufträge und Urlaub, die ja auch mit der zu beurteilenden Tätigkeit im weiteren Sinne zusammenhängen.
Ausnahme: Wenn sich der Lehrer/Dozent arbeitslos meldet, dann steht er dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung, die selbständige Tätigkeit ist daher unterbrochen.
monter hat geschrieben:Aus der Sicht eines juristischen Laien finde ich es beachtlich, dass es für einen doch nicht ganz unwichtigen Fall offenbar keine konkreten rechtlichen Regelungen gibt. Mal ganz provokatisch ausgedrückt: Letzten Endes ist das für GK und ggf. sogar für das Gericht ein Freibrief für Wilkür-Entscheidungen.
Es gibt ausreichend gesetzliche Regelungen - auch für den beschriebenen Fall.
MfG
Old Piper
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Behörden- und Gerichtsentscheidungen sind zwar oft recht mäßig, aber meistens rechtmäßig.
FM
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von FM »

Old Piper hat geschrieben: Beispiel: Ein selbständiger Lehrer/Dozent, der in den (Semester-)Ferien nicht unterrichtet, ist in diesen Zeiten dennoch weiterhin selbstständig. Das BSG begründet dies mit Zeiten der Unterrichtsvorbereitung, Gewinnung neuer Aufträge und Urlaub, die ja auch mit der zu beurteilenden Tätigkeit im weiteren Sinne zusammenhängen.
Ausnahme: Wenn sich der Lehrer/Dozent arbeitslos meldet, dann steht er dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung, die selbständige Tätigkeit ist daher unterbrochen.
Du meinst vermutlich das Urteil B 12 R 3/12 R vom 30.10.2013 (womit es eben doch Rechtsprechung zu der Frage gibt, der Fragesteller hatte aber ausdrücklich erklärt, dass ihn RV und AV nicht interessieren).

Dieses Urteil ist allerdings auch wenig befriedigend. Zitate daraus:
Der Umstand der Inanspruchnahme von Alg als solcher - zumal aufgrund einer hier im Raum stehenden freiwilligen Versicherung als Existenzgründer in der Arbeitslosenversicherung - wäre ebenso nicht geeignet, von vornherein von einem Ende der selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Vielmehr machen die Regelungen über Teil-Alg in § 162 SGB III deutlich, dass neben einem entsprechenden Leistungsbezug mit den sich daraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Wirkungen auch noch ein weiterer, über einen anderen Sachverhalt vermittelter versicherungsrechtlicher Status gegeben sein kann.
Anders als Du sieht das BSG im AlG-Bezug (meist könnte es mangels Versicherung ja nur eine Al-Meldung sein) zurecht keinen ausreichenden Grund. Und es ist auch nicht zwingend so, dass jemand der eine selbständige Tätigkeit ganz oder zeitweise beendet, deshalb gleich eine nichtselbständige Beschäftigung suchen muss.
Eine derartige willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit - bezogen auf denselben Auftraggeber - kann sich in den den jeweiligen Engagements für einen Auftraggeber zugrundeliegenden Rahmenverträgen, Rahmenvereinbarungen oder Absprachen mit einer hinreichend konkreten, rechtlich begründeten Aussicht der Fortsetzung oder Tätigkeit für den jeweiligen Auftraggeber niederschlagen und nach außen dokumentieren, sofern dies nicht aufgrund der besonderen, objektiven Merkmale der Tätigkeit von vornherein ausgeschlossen ist (zB bei einer Tätigkeit als Skilehrer für Zeiten außerhalb der Skisaison).
Unklar bleibt, warum es derselbe Auftraggeber sein soll, und mangels Bestandsschutz gibt es keine "rechtlich begründete Aussicht". Es gibt höchstens die Absicht, später weiterzumachen. Das Skilehrer-Beispiel ist aber übertragbar auf andere Dozenten: wenn in den Sommerferien die Volkshochschule gar keine Kurse veranstaltet, ist das das gleiche wie die Pause beim Skilehrer (nur eben länger, aber die Dauer alleine spielt lt. dem Urteil keine wesentliche Rolle). Dass sich der Dozent in dieser Zeit vorbereitet, ist nicht substantiiert. Er kann auch am Strand liegen. Deshalb stellt das BSG dies auch nur als Frage.
Die willensgetragene Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit am Markt kann sich aber auch - unabhängig von einem konkreten (früheren) Auftragsverhältnis - allgemein in einer Teilnahme am Wirtschaftsleben wenigstens durch werbende Tätigkeiten gegenüber anderen potentiellen Auftraggebern manifestieren
Ja, durch "Tätigkeit" vielleicht. Das Gestalten der eigenen Internetseite ist natürlich Teil der selbständigen Tätigkeit. Aber macht der vermeintlich Selbständige dies während seiner Sommerpause, oder läßt er nicht eher nur die schon vorhandene Internetseite online stehen, weil er später wieder Aufträge möchte? Reicht dieses "später wollen" auch schon? Bei einem Arbeitnehmer nicht, außer wenn er auch AlG bezieht. "Arbeitssuchend" alleine führt noch nicht zur Versicherungspflicht.

Eine andere Frage ist aber, ob beitragstechnisch die Unterbrechung überhaupt etwas nützt. Wenn man in der RV den Regelbeitrag bezahlt, ja. Bei einkommensgerechten Beiträgen, nein. Denn dann ist das Jahreseinkommen nicht durch 12, sondern durch die geringere Zahl der Beitragsmonate zu teilen, und der Monatsbeitrag für die verbleibenden Monate wird entsprechend höher. In der GKV gilt ähnliches: der Regelbeitrag wäre hier der Höchstbeitrag. Nur wer diesen zahlt oder aber den ebenfalls pauschalen Mindestbeitrag, würde von einer Unterbrechung profitieren. Beim Mindestbeitrag käme man dann aber ggf. in den Arbeitsmonaten auf ein höheres Einkommen als die Mindestbemessungsgrundlage und müsste dann in diesem Monaten entsprechend mehr bezahlen. Hier lohnt es sich nur, wenn schon auf das ganze Jahr bezogen diese Schwelle nicht erreicht wird.
Old Piper
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Re: Definition von selbstständiger Tätigkeit

Beitrag von Old Piper »

FM hat geschrieben:Du meinst vermutlich das Urteil B 12 R 3/12 R vom 30.10.2013 (womit es eben doch Rechtsprechung zu der Frage gibt, der Fragesteller hatte aber ausdrücklich erklärt, dass ihn RV und AV nicht interessieren).
Ich meinte kein bestimmtes Urteil, da gibt es auch ältere. Bei Bedarf kann ich sie mal raussuchen. Aber auch wenn den Fragesteller RV + AV nicht interessieren, gibt es doch durchaus Parallelen.
FM hat geschrieben:Dieses Urteil ist allerdings auch wenig befriedigend.
... wie viele andere auch nicht :wink:
FM hat geschrieben:Zitate daraus:
Der Umstand der Inanspruchnahme von Alg als solcher - zumal aufgrund einer hier im Raum stehenden freiwilligen Versicherung als Existenzgründer in der Arbeitslosenversicherung - wäre ebenso nicht geeignet, von vornherein von einem Ende der selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Vielmehr machen die Regelungen über Teil-Alg in § 162 SGB III deutlich, dass neben einem entsprechenden Leistungsbezug mit den sich daraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Wirkungen auch noch ein weiterer, über einen anderen Sachverhalt vermittelter versicherungsrechtlicher Status gegeben sein kann.
Anders als Du sieht das BSG im AlG-Bezug (meist könnte es mangels Versicherung ja nur eine Al-Meldung sein) zurecht keinen ausreichenden Grund. Und es ist auch nicht zwingend so, dass jemand der eine selbständige Tätigkeit ganz oder zeitweise beendet, deshalb gleich eine nichtselbständige Beschäftigung suchen muss.
Ich denke, das BSG geht hier von einem Fortbestehen der Selbständigkeit aus, weil der Betreffende "nur" Teil-Alg bezog und er im Übrigen weiter als "Existenzgründer" galt. Logisch eigentlich.
MfG
Old Piper
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