Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

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lerchenzunge
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von lerchenzunge »

Abseits aller rechtlichen Fragen sollte man auch an die Interessen der Flüchtlinge denken und ich bin mir relativ sicher, dass diese Spindkontrollen von der Mehrheit der Flüchtinge akzeptiert und sogar begrüsst werden, da das vorrangige Ziel ja die Sicherheit der Flüchtlinge ist. Nur eine recht kleine Zahl besonders lautstarker Personen dürfte sich darüber beschweren.

Einfach mal als Gedankenexperiment:
Ich bin Flüchtling. Ich musste aus meiner Heimat fliehen, weil dort bewaffnete kriminelle Banden die Bevölkerung terrorisieren und der Staat unfähig oder unwillig war, die Bevölkerung zu schützen oder weil sogar der Staat mit diesen Kriminellen gemeinsame Sache machte.
Ich bin nach Europa, nach Deutschland geflohen in der Hoffnung, dass ich dort vor bewaffneten Kriminellen vom Staat geschützt werde.
Nun komme ich in eine Gemeinschaftsunterkunft und muss feststellen, dass ich dort auf engstem Raum zusammenleben muss mit einer Vielzahl von Menschen, worunter auch (in vielleicht nur kleiner Zahl, aber eben auch) kriminelle, gewaltbereite Menschen sind.
In dieser SItuation wäre ich als Flüchtling jedenfalls froh, wenn hier der Staat (zB. vertreten durch den Sicherheitsdienst oder auch die Polizei) sich nicht als unfähig oder unwillig zeigt, diese Kriminellen zu verfolgen.

Spindkontrollen und Einsätze gegen Schläger, Drogenhändler etc. würde ich dann begrüssen und sie würden mir das Vertrauen in den Staat geben und eine Bestätigung, dass es richtig war, nach Deutschland zu fliehen. Würden hingegen Kriminelle ungehindert in der Gemeinschaftsunterkunft agieren, dann würde ich schnell den Eindruck gewinnen, dass der Einsatz von Geld und evtl. sogar meines Lebens für die Flucht nutzlos war, da ich nur vom Regen in die Traufe gekommen wäre...

Als Helfer, zB. in der Lage von Lipto würde ich daher sehr genau prüfen, wessen Interessen ich da vertrete und ob ich nicht auch mit meinem Einsatz (hier zB. der Verteidigung der Privatsphäre der Flüchtlinge) vielleicht einer Vielzahl Flüchtlingen schaden könnte (wie das Sprichwort sagt "Gutgemeint ist nicht immer gutgemacht")
Lipto
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von Lipto »

lucid hat geschrieben: Was ich nicht ganz verstehe ist, warum die Grundrechte für Leute, die sich freiwillig da aufhalten überhaupt relevant sein sollten.
... weil es Grundrechte sind? Ich gehe ja auch freiwillig ins Hallenbad und würde es sehr verstörend finden, wenn der Bademeister meinen Spind kontrollieren würde.
lucid hat geschrieben: Ich glaube hier geht es nichtmal wirklich um die Befindlichkeiten der Flüchtlinge, sondern um die Befindlichkeiten der "Helfer", die solche Gelegenheiten nutzen um ihre hohe moralische Gesinnung zu demonstrieren.
lucid hat geschrieben: Hat sich denn überhaupt ein Flüchtling unangeleitet und selbstständig darüber beschwert?
Ja. Die Flüchtlinge haben berichtet, dass sie sich wie in einem Gefängnis fühlen. Als Beispiel haben sie unter anderem die Spindkontrollen angeführt. Und ja, als Helfer geht es mir hier sicherlich auch um meine moralische Gesinnung. Ich bin ein großer Freund unseres Grundgesetzes und sehe mich diesem moralisch verpflichtet. Wenn nun Menschen aus fremden Ländern, welche Schutz und Hilfe in Deutschland suchen eben weil dieses Land ein (überwiegend) faires, gutes und stabiles Rechtssystem hat, dann stört es mich, wenn für diese Menschen das Recht auf (das letzte bisschen) Privatsphäre ausgehebelt wird. Ich will hier aber nicht meine moralische Gesinnung "demonstrieren", sondern in diesem Threat nur versuchen zu klären wie denn die Rechtslage ist. Ganz ohne politisch motivierte Polemik.
Rabenwiese
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von Rabenwiese »

Also ich habe die Beschwerden über solche Kontrollen i.d.R. von denen zu hören bekommen bei denen der Sicherheitsdienst oder die Polizei fündig wurden.

Andere beschwerten sich äußerst selten. Die oben erwähnten annähernd alle :shock:
Lipto
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von Lipto »

@Lerchenzunge: Dein Argument ist ja, dass die Sicherheit der Meisten in einer solchen Traglufthalle (oder sonstigen größeren Gemeinschaftsunterkünften) rechtfertig die Grundrechte einzelner auszuhebeln. Der Argumentation kann ich erstmal sachlich folgen.

Jetzt sehe ich mich auch als politisch eher liberaler Mensch. Und dann wird Deine Schlussfolgerung für mich eben "gefährlich".
In Deutschland gibt es ja auch kriminelle. Muss ich deswegen, zum Schutz der Meisten, dann auch ertragen, dass mein Haus ohne Vorankündigung betreten wird?

Irgendwie wird das jetzt alles ganz schön abstrakt, aber mit Blick auf meine Grundrechte frage ich mich, ob wir als Gesellschaft die Grundrechte von Flüchtlingen überhaupt so einschränken dürfen (um auf den Kern der ursprünglichen Frage zurück zu kommen).
freemont
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von freemont »

Lipto hat geschrieben:...
Irgendwie wird das jetzt alles ganz schön abstrakt, aber mit Blick auf meine Grundrechte frage ich mich, ob wir als Gesellschaft die Grundrechte von Flüchtlingen überhaupt so einschränken dürfen (um auf den Kern der ursprünglichen Frage zurück zu kommen).

Das ist eben eine Frage des Einzelfalles. Es geht nicht um Grundrechte von Flüchtlingen, es geht um die Grundrechte von Menschen.

In einer Strafanstalt, bei Soldaten, bei Polizisten gelten da ganz andere - schärfere - Regeln als in einer Erst- oder Übergangseinrichtung.

Aber auch da erfolgt die Unterbringung nach öffentlichem Ordnungsrecht, am Anfang steht eine Einweisungsverfügung.

Erster google-Treffer:

http://www.cottbus.de/.files/storage/aa ... -12-31.pdf
Auf der Grundlage des § 5 des Gesetzes über die Aufnahme von Spätaussiedlern und ausländischen Flüchtlingen im Land Brandenburg (Landesaufnahmegesetz- LAufnG) vom 17. Dezember 1996 (GVBl. I/96, [Nr. 27], S.358, 360), in der jeweils geltenden Fassung i.V.m. § 3 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) vom 18. Dezember 2007 (GVBl. I/07, [Nr. 19], S. 286), in der jeweils geltenden Fassung sowie §§ 2 Abs. 1 und 6 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 2004 (GVBl. I/04, [Nr. 08], S.174), in der jeweils geltenden Fassung, hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Cottbus in ihrer Tagung am 16.12.2009 folgende Satzung beschlossen:
...
(3) Das Nutzungsverhältnis zwischen der Stadt Cottbus und den Nutzern ist öffentlich-rechtlich ...
Die Rechtsgrundlagen differieren von Bundesland zu Bundesland, das Sonderstatusverhältnis ist dabei immer gleich.

Daß eine Sammlunterkunft spezifische Probleme verursacht wird wohl Niemand anzweifeln. Daß das spezifische Lösungen erfordert kann man vernünftigerweise auch nicht bestreiten.

Was sachlich geboten ist, darf auch gemacht werden, auch wenn dadurch in den Schutzbereich von Grundrechten eingegriffen werden muss und dabei der Kernbereich unangetatstet bleibt. Vereinfacht ist ganz banal die Vernunft die Messlatte.

Ich denke, das ist die beste Herangehensweise, die beste Einstellung:
Da wir als Helferkreis auf die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst angewiesen sind, und dieser in vielen Punkten auch gut läuft, will ich nun nicht vollkommen unvorbereitet in eine Gespräch mit dem Sicherheitsdienst und dem Ansprechpartner des Landratsamtes gehen.
lerchenzunge
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von lerchenzunge »

Lipto hat geschrieben: In Deutschland gibt es ja auch kriminelle. Muss ich deswegen, zum Schutz der Meisten, dann auch ertragen, dass mein Haus ohne Vorankündigung betreten wird?
Ja, man denke an Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen zur Gefahrenabwehr.

Abseits davon: nur sehr wenigen Menschen, auch bei den Sicherheitsdiensten, machen Spindkontrollen o.ä. Freude. Auch die Arbeitgeber der Sicherheitsdienste würde sicher gerne diese perosnal- und damit kostenintensiven Tätigkeiten vermeiden, wo dies möglich ist.
Wenn es keine Anhaltspunkte für den Verdacht des Vorhandenseins von unzulässigen Gegenständen gäbe und bei den Kontrollen nie oder nur höchst selten etwas gefunden würde, dann würde die Kontrollfrequenz daher mit Sicherheit runtergefahren werden oder ganz darauf verzichtet werden... Dass weiter und oft kontrolliert wird, dafür dürfen sich die Flüchtlinge also bei denen bedanken, bei denen etwas gefunden wurde!
hawethie
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von hawethie »

Ja, man denke an Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen zur Gefahrenabwehr.
Sitmmt, die gibt es täglich zu Hauf.....
Unangekündigt und ohne besonderen Anlass.
Hat doch jeder schon mal mitgemacht, oder?


Im Ernst: kennst du die Rechtsgrundlagen für eine Hausdurchsuchung?
Was du nicht willst, das man dir will, das will auch nicht -
was willst denn du.
Aus Erfahrung: Krebsvorsorge schadet nicht.
Cordelia
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von Cordelia »

Kobayashi Maru hat geschrieben:OMG, bitte lass Cordelia diesen Thread nicht lesen... :shock: :shock:
Zu spät. Kein Grund gleich in Schnappatmung zu verfallen. Zur Rechtslage kann ich nicht viel beitragen und im Gegensatz zu anderen muss ich auch nicht überall meinen Senf dazugeben. :lol:

@Lipto - Sorry fürs Abschweifen. Bin schon wieder weg.
Oktavia
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von Oktavia »

Die meissten Menschen halten sich nicht freiwillig in einer Flüchtlingsunterkunft auf, sie müssen dort wohnen wenn sie erst mal zugewiesen sind.
Ich halte vieles was in den Unterkünften passiert für unrechtmäßig. Leider kann man aus den verschiedensten Gründen nur wenig dagegen tun.

Spinddurchsuchungen durch private Sicherheitsdienste können nicht rechtmäßig sein genau wie Taschenkontrollen. Durchsuchungen an "Arbeitsplätzen" wie bei der Polizei oder der Bundeswehr haben ja wohl einen anderen Charakter als die am einzigen verschließbaren Platz im "Wohnbereich" und sie werden ja wohl durch Staatsbedienstete durchgeführt.
Auf der anderen Seite muss man natürlich berücksichtigen, dass es ein berechtigtes Interesse gibt gewisse Dinge nicht in den Unterkünften zu haben. Ein Dilemma.
Für Drogen/Waffen gibt es jedoch viel bessere Aufbewahrungplätze als ausgerechnet den eigenen Spind. Vor allem für Frauen ist es sehr erniedrigend wenn fremde Männer die Klamotten durchwühlen. Aber für Frauen sind diese Unterkünfte sowieso katastrophal. Gemischtgeschlechtliche Sanitärräume die nicht abschliessbar sind. Einige der Frauen in unseren Unterkünften schlafen tagsüber und halten nachts Wache weil sie Angst vor Übergriffen haben.
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von PurpleRain »

Cordelia hat geschrieben:im Gegensatz zu anderen muss ich auch nicht überall meinen Senf dazugeben. :lol:
Bedeutet: Sie hat im Skript von der/dem PolitkomissarIn nichts dazu gefunden.

Da fällt mir zu dem Thema noch ein: Wieso haben KPÖ-Mitglieder damals das Klo-Papier immer doppelt gefaltet? ...
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von lucid »

Lipto hat geschrieben:
lucid hat geschrieben: Was ich nicht ganz verstehe ist, warum die Grundrechte für Leute, die sich freiwillig da aufhalten überhaupt relevant sein sollten.
... weil es Grundrechte sind? Ich gehe ja auch freiwillig ins Hallenbad und würde es sehr verstörend finden, wenn der Bademeister meinen Spind kontrollieren würde.
Würden sie in Berlin u.ä. wohnen, dann wüssten sie dass es dort in den "bunten" Schwimmbädern schon anders ist; wegen den Waffen.
Und in privaten Schwimmbädern gibt es kein Recht auf Spind-Privatsphäre, wie kommen Sie darauf?

Ein Recht ist etwas über dessen Ausübung man verfügen kann (ansonsten wär es eine Pflicht).
Betritt man z.B. ein Schwimmbad unterwirft man sich damit der Hausordnung und verzichtet insoweit auf seine Grundrechte.
lucid hat geschrieben: Ich glaube hier geht es nichtmal wirklich um die Befindlichkeiten der Flüchtlinge, sondern um die Befindlichkeiten der "Helfer", die solche Gelegenheiten nutzen um ihre hohe moralische Gesinnung zu demonstrieren.
lucid hat geschrieben: Hat sich denn überhaupt ein Flüchtling unangeleitet und selbstständig darüber beschwert?
Ja. Die Flüchtlinge haben berichtet, dass sie sich wie in einem Gefängnis fühlen. Als Beispiel haben sie unter anderem die Spindkontrollen angeführt. Und ja, als Helfer geht es mir hier sicherlich auch um meine moralische Gesinnung. Ich bin ein großer Freund unseres Grundgesetzes und sehe mich diesem moralisch verpflichtet. Wenn nun Menschen aus fremden Ländern, welche Schutz und Hilfe in Deutschland suchen eben weil dieses Land ein (überwiegend) faires, gutes und stabiles Rechtssystem hat, dann stört es mich, wenn für diese Menschen das Recht auf (das letzte bisschen) Privatsphäre ausgehebelt wird. Ich will hier aber nicht meine moralische Gesinnung "demonstrieren", sondern in diesem Threat nur versuchen zu klären wie denn die Rechtslage ist. Ganz ohne politisch motivierte Polemik.
Das ist auch nicht der Punkt.
Mein Gedanke war eher: Ginge es Ihnen wirklich um das Wohl der Flüchtlinge, würden Sie nicht wollen eine so sinnvolle Regelung, die in Deutschland in den letzten Monaten sicher schon einige Flüchtlingsleben gerettet hat, aufzuheben. Die Rechtslage spielt für die moralische Bewertung auch keine Rolle. Hier muss man erstmal nach der Verallgemeinerbarkeit fragen: Sicher will jeder einzelne Flüchtling gerne selbst davon ausgenommen werden, aber kaum jemand wird die Zustände wollen, die ohne allgemeine Kontrollen entstehen.

Wenn Sie also nicht grade Luxusflüchtlinge haben, die sich von selbst aussergewöhnlich zivilisiert benehmen (gibt es ja), dann können Sie garnicht wollen, dass die Flüchtlinge in den Lagern dieses Grundrecht realisiert bekommen. Das weckt den Verdacht, dass hinter Bestrebungen in diese Richtung andere Motivationen stecken.

Das ist übrigens ein alter Streitpunkt der Reformation. Bei den Protestanten reicht es das Gute zu wollen (=die richtige Gesinnung zu haben), Katholiken legen auch Wert darauf, dass es tatsächlich erreicht wird (Werkgerechtigkeit). Kant hat ersteres erträglicher gemacht, indem er eine Prüfung der Verallgemeinerbarkeit des moralischen Gesetzes fordert, was fast das gleiche ist wie sich Gedanken über die Folgen zu machen. Heute leider vergessen.
freemont
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von freemont »

lucid hat geschrieben:...
Und in privaten Schwimmbädern gibt es kein Recht auf Spind-Privatsphäre, wie kommen Sie darauf?

Ein Recht ist etwas über dessen Ausübung man verfügen kann (ansonsten wär es eine Pflicht).
Betritt man z.B. ein Schwimmbad unterwirft man sich damit der Hausordnung und verzichtet insoweit auf seine Grundrechte.
...

Ich glaube, Sie sollten ganz dringend an Ihrem Grundrechtsverständnis arbeiten, Art. 1 II GG:
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Darauf kann man nicht "verzichten", ein entsprechender Vertrag wäre nichtig.
lucid
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von lucid »

freemont hat geschrieben:
lucid hat geschrieben:...
Und in privaten Schwimmbädern gibt es kein Recht auf Spind-Privatsphäre, wie kommen Sie darauf?

Ein Recht ist etwas über dessen Ausübung man verfügen kann (ansonsten wär es eine Pflicht).
Betritt man z.B. ein Schwimmbad unterwirft man sich damit der Hausordnung und verzichtet insoweit auf seine Grundrechte.
...

Ich glaube, Sie sollten ganz dringend an Ihrem Grundrechtsverständnis arbeiten, Art. 1 II GG:
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Darauf kann man nicht "verzichten", ein entsprechender Vertrag wäre nichtig.
Man kann in Deutschland sogar in KV einwilligen, jedenfalls wenn der Staat den Zweck billigt.

Genau diese Idee der "Unveräußerbarkeit" führt zu den totalitärsten Gesetzen.
Beispiel: BTMG. Gesundheit ist Pflicht. Dein Körper gehört der Volksgemeinschaft. Ach nein, heute geht die Rechtfertigung etwas anders, aber genau das steckt dahinter.

Die einzige Konzeption der Menschenrechte, die nicht durch die Beliebigkeit verfassungsgerichtlicher "Abwägungen" inhaltsleer wird, ist die als Abwehrrechte gegen den Staat.
Und bzgl. den Flüchtlingen besteht da kein Problem, weil die freiwillig in den Einrichtungen wohnen; wenn sie sich eine Wohnung suchen oder draussen schlafen tut der Staat ihrer Privatsphäre nichts.
freemont
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von freemont »

lucid hat geschrieben:...

Genau diese Idee der "Unveräußerbarkeit" führt zu den totalitärsten Gesetzen.
Beispiel: BTMG. Gesundheit ist Pflicht. Dein Körper gehört der Volksgemeinschaft. Ach nein, heute geht die Rechtfertigung etwas anders, aber genau das steckt dahinter.
...
Sie scheinen in einem ganz anderen Land zu leben.
lerchenzunge
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Re: Unangekündigte Spindkontrollen in Flüchtlingsunterkunft

Beitrag von lerchenzunge »

Lipto hat geschrieben:@Lerchenzunge: Dein Argument ist ja, dass die Sicherheit der Meisten in einer solchen Traglufthalle (oder sonstigen größeren Gemeinschaftsunterkünften) rechtfertig die Grundrechte einzelner auszuhebeln. Der Argumentation kann ich erstmal sachlich folgen.

Jetzt sehe ich mich auch als politisch eher liberaler Mensch. Und dann wird Deine Schlussfolgerung für mich eben "gefährlich".
die moralische Frage lautet meiner Ansicht nach eher, ob man die Menschenleben, die eine rechtlich möglicherweise fragwürdige Regelung rettet, niedriger oder höher als politisch-liberale Grundsätze einstuft bzw. wo man dort die Grenze zieht.

Mal ganz simpel gesagt: angenommen, Sie sprechen das an, auf Ihre Initiative hin werden die Kontrollen abgeschafft. Und nach ein paar Wochen kommt es zu einem Vorfall in der Flüchtlingsunterkunft, ein Flüchtling steht unter Einfluss von eingeschmuggelten Drogen und Alkohol und tötet mit einer eingeschmuggelten Waffe ein kleines Flüchtlingskind in der Unterkunft. Alles würde dafür sprechen, dass bei Fortführung der Spindkontrollen sowohl Drogen, Alkohol als auch die Waffe rechtzeitig vorher hätten entdeckt werden können und damit die Tat verhindert, das Leben des Kindes gerettet werden können. Auch wenn Sie keine rechtliche Schuld treffen würde, könnten Sie mit der moralischen Schuld leben, dass Ihre Initiative für Privatsphäre der Flüchtlinge Mitschuld am Tod eines Kindes hätte?
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