Untersagung Nachtausgang aus Fürsorgegründen

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gandre
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Untersagung Nachtausgang aus Fürsorgegründen

Beitrag von gandre »

Hallo,

fiktives Beispiel,
Lehrgang, Chef teilt am Anfang mit das ein Ausbildungsabschnitt in naher Zukunft bis 2 Uhr morgens durchgeführt wird, danach dürfe kein Lehrgangsteilnehmer die Kaserne verlassen, aus Fürsorgegründen.
Kann mir jemand die Rechtsgrundlage dafür nennen, bzw. wäre ein solcher Befehl rechtmässig und verbindlich?
Laut ZDV 10/005 ist das so einfach nicht möglich.
Lehrgangsteilnehmer grösstenteils altgediente Portepee´s.

Viele Grüsse,

Andre
Heckersbruch
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Re: Untersagung Nachtausgang aus Fürsorgegründen

Beitrag von Heckersbruch »

Hallo,

zunächst einmal ein paar Grundlagen, die Ihnen als UmP sicherlich bekannt sind:

"Befehl ist der militärische Begriff für eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt.
Vor der Erteilung eines Befehls hat der befehlende Vorgesetzte zu prüfen, ob sein Befehl rechtmäßig, zweckmäßig und angemessen ist. Wenn der Befehlende nicht Vorgesetzter des Befehlsempfängers ist (juristisch sogenannter Nichtbefehl) besteht keine Gehorsamsverpflichtung, der Nichtbefehl muss nicht ausgeführt werden.

Ein Befehl muss nicht ausgeführt werden, sofern er keinen dienstlichen Zweck erfüllt, gegen die Menschenwürde verstößt oder seine Befolgung für den Soldaten unzumutbar ist. Der Soldat kann also entscheiden, ob er einem solchen Befehl nachkommt oder nicht. An das Kriterium der Unzumutbarkeit sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Irrt der Soldat über die Verbindlichkeit eines Befehls und verweigert seine Ausführung, besteht für ihn stets die Gefahr, ein Dienstvergehen oder eine Wehrstraftat zu begehen, es sei denn, der Irrtum war für ihn unvermeidbar.

Dagegen darf ein Befehl nicht ausgeführt werden, wenn dessen Ausführung die Begehung einer Straftat (eine Ordnungswidrigkeit reicht nicht aus!) oder einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt. Befolgt ein Soldat einen solchen Befehl, kann er sich später nicht auf den sog. Befehlsnotstand berufen, wie nach dem Zweiten Weltkrieg viele Kriegsverbrecher versucht hatten, ihre Verbrechen zu rechtfertigen. Möglicherweise handelt ein Soldat, der die Strafbarkeit seines Handelns nicht erkennt, jedoch ohne Schuld."

Nun mal "subsumiert":
Wer erteilt den Befehl? Inspektionschef (also wohl Hptm), somit Vorgesetzter gem. § 1 VVO, sofern zu dem Lehrgang ordnungsgemäß kommandiert wurde.
Staftat? Nein!
Menschenwürde? Nein!
Unzumutbar? Nein!
dienstlicher Zweck? Ja

Somit muss der Befel erst einmal befolgt werden!

Nachträglich könnte man nun Beschwerde gegen den Befehl einlegen.
Hierzu müsste der Befehl gegen Vorschriften oder Gesetze verstoßen.

Gem. § 10 Abs. 3 SG hat der Vorgesetzte die von Ihnen schon angedeutete "Fürsorgepflicht".

Es ist nun anzunehmen, dass der dargestellte Ausbildungsabschnitt schon alleine aufgrund des späten Dienstschlusses geeignet ist, die Lg-Teilnehmer derart körperlich zu fordern, dass der Vorgesetzte annehmen muss, dass ein vorschriftsmäßiges Führen von Kraftfahrzeugen (§ 1 Abs. 2 StVO) durch diese Lg-Teilnehmer nicht mehr möglich ist. Folglich befiehlt er (rechtmäßig und verbindlich), dass die Lg-Teilnehmer die Kaserne nicht mehr zu verlassen haben.

Also aus meiner Sicht nichts angreifbares!
Lehrgangsteilnehmer grösstenteils altgediente Portepee´s
Gerade hier sollte doch Verständnios für diese Maßnahme vorhanden sein, schließlich sind diese Herren selbst Vorgesetzte und haben die gleiche Fürsorgepflicht gegenüber ihren eigenen unterstellten Soldaten!

Mit kameradschaftlichem Gruß
J.H.
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!

ACHTUNG: Recht und Gerechtigkeit sind zwei verschiedene Paar Schuhe!
Townspector
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Re: Untersagung Nachtausgang aus Fürsorgegründen

Beitrag von Townspector »

Lautete der Befehl wörtlich "die Kaserne verlassen" oder sinngemäß "mit dem Auto nach Hause fahren"?

Im ersten Falle hätte ich -mit Hinblick auf eine mögliche Taxifahrt oder Abholung durch eine dritte Person-
das Gefühl, dass sich der Chef die Formulierung ein wenig zu einfach macht.

Wenn der Lehrgang jedoch ausnahmslos aus Auswärtigen besteht sowie auch im zweiten Falle würde ich die o.g. Fürsorgepflicht ohne wenn und aber bejahen.

In beiden Fällen ist der Befehl rechtmäßig und verbindlich.

Man könnte hier zwar die Vertrauensperson mit den jeweils nächsthöheren Vorgesetzten (Inspektionsschef, SchulKdr) erörtern lassen ob das notwendig ist; jedoch denke ich, dass diese -sofern es hier um die Vermeidung übermüdeter Heimfahrten geht- die gleiche Auffassung haben werden.

Ich kenne die Praxis aus meiner ZgFhr-Zeit noch ebenso, dass nach fordernden, spät-endenden Ausbildungen regelmäßig befohlen wurde, dass niemand mit eigenem Kfz auf die Heimfahrt geht, der vorher nicht mindestens 5 Stunden geschlafen hat.

Mit kameradschaftlichen Grüßen,

Townspector
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