Beweis eines OP-Schadens

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Wilfried
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Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Wilfried »

Mich interessiert die Bewertung/Einschätzung für einen Fall:

Ein Patient wurde minimalinvasiv-endoskopisch an der Niere operiert, mit komplikationslosem Verlauf und gut verheiltem Operationsfeld.

Nach einem halben Jahr erfolgt eine obligatorische Computertomografie, bei der als neuer Befund eine Bauchhernie festgestellt wurde.Diese soll jetzt durch eine Operation versorgt werden.

Die Vermutung (des Patienten) ist, dass diese Hernie eine Folge des o.g. Eingriffes ist, weil sie dort sichtbar wird, wo das Endoskop durch die Bauchdecke geführt wurde.

Ist es richtig, dass der Patient die Beweislast trägt? Wie kann der Patient

a)den Beweis belastbar antreten und
b)welche Ansprüche hat er gegenüber dem Krankenhaus?

Danke, Wiilfried
Gammaflyer
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Gammaflyer »

Eine Narbenhernie ist eine Spätfolge der OP, der nicht zwingend ein Behandlungsfehler zugrunde liegen muss, sondern ggf. auch die Bindegewebsverhältnisse des Patienten, falsche Belastung etc.
Eigentlich sollte darüber im Vorfeld auch aufgeklärt werden.

Die Beweisführung dürfte schwierig werden und die Erfolgsaussichten halte ich für begrenzt.
winterspaziergang

Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von winterspaziergang »

Wilfried hat geschrieben: Ist es richtig, dass der Patient die Beweislast trägt? Wie kann der Patient

a)den Beweis belastbar antreten und
b)welche Ansprüche hat er gegenüber dem Krankenhaus?
Ehe sich der Patient darüber Gedanken macht, sollte er wissen, dass jede Komplikation, Folgeerkrankung etc. nur dann zu Ansprüchen berechtigt, wenn
a) tatsächlich und nachweisbar eine Folge des Eingriffs ist d.h. ein Fehler passiert ist, ohne den es in keinem Fall zur besagten Folge gekommen wäre
b) diese Folge in jedem Fall vermeidbar und nicht etwa eine denkbare Komplikation der OP ist, über die der Patient vorher auch aufgeklärt wurde
Wilfried
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Wilfried »

Gammaflyer hat geschrieben: Eigentlich sollte darüber im Vorfeld auch aufgeklärt werden.
Gehen wir mal davon aus, dass die Bindegewebsverhältnisse
a)bekannt waren (z.B. Anamnese Vorerkrankungen)
b)eine Aufklärung über eine solche OP-Komplikation nicht erfolgte.
winterspaziergang

Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von winterspaziergang »

Wilfried hat geschrieben:
Gehen wir mal davon aus, dass die Bindegewebsverhältnisse
a)bekannt waren (z.B. Anamnese Vorerkrankungen)
b)eine Aufklärung über eine solche OP-Komplikation nicht erfolgte.
a) kann es dennoch Gründe geben, dieses Risiko in Kauf zu nehmen (Nutzen-Risiko-Abwägung findet in der Medizin ständig statt)
b) nachweisbar? ist bei einer Aufklärung anzunehmen, dass sich der Patient dann gegen die OP entschieden hätte? welche langfristigen Folgen hätte der Verzicht gehabt?
Newbie2007
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Newbie2007 »

Ein paar Anmerkungen...
winterspaziergang hat geschrieben: ... jede Komplikation, Folgeerkrankung etc. nur dann zu Ansprüchen berechtigt, wenn
a) tatsächlich und nachweisbar eine Folge des Eingriffs ist d.h. ein Fehler passiert ist, ohne den es in keinem Fall zur besagten Folge gekommen wäre
b) diese Folge in jedem Fall vermeidbar und nicht etwa eine denkbare Komplikation der OP ist, über die der Patient vorher auch aufgeklärt wurde
Es muss ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden, das ist richtig. Falls das Gericht allerdings feststellt, dass es sich um einen groben Behandlungsfehler handelt, kehrt sich dadurch die Beweislast um. Dann muss nicht mehr der Patient die Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden beweisen, sondern der Arzt muss den Gegenbeweis erbringen.

(Im übrigen ist die Aussage "tatsächlich und nachweisbar eine Folge des Eingriffs ist, d.h. ein Fehler passiert ist, ohne den es in keinem Fall zur besagten Folge gekommen wäre" schon rein denklogisch falsch. Wenn ich Ihnen einen Eimer Wasser über dem Kopf ausschütte, werden Sie nass. Der Eimer Wasser war dann ursächlich für Ihre durchnässte Kleidung. Es könnte aber auch sein, dass Sie einfach ohne Regenschirm hinausgegangen sind und von einem Wolkenbruch überrascht wurden. Auf den medizinischen Bereich übertragen, wenn der Anästhesist einen Fehler macht und der Patient dadurch einen Gehirnschaden erleidet, dann ist die Ursächlichkeit nicht dadurch widerlegt, dass auch andere Ursachen für den Gehirnschaden in Frage kommen.)
winterspaziergang hat geschrieben: a) kann es dennoch Gründe geben, dieses Risiko in Kauf zu nehmen (Nutzen-Risiko-Abwägung findet in der Medizin ständig statt)
b) nachweisbar? ist bei einer Aufklärung anzunehmen, dass sich der Patient dann gegen die OP entschieden hätte? welche langfristigen Folgen hätte der Verzicht gehabt?
a) Die Nutzen-Risiko-Abwägung obliegt aber nicht allein dem Arzt, sondern - sofern bei Bewußtsein - vor allem dem Patienten. Eine Operation ohne die informierte Zustimmung des Patienten stellt aus strafrechtlicher Sicht eine Körperverletzung dar!

b) Die fehlende Aufklärung über mögliche Folgen einer Operation stellt in der Regel einen groben Behandlungsfehler dar und führt dann ebenfalls zu ener Umkehr der Beweislast. Und es kommt noch besser. Auch wenn feststeht, dass der Folgeschaden ein normales Risiko der Behandlung ist, der Patient hierüber aber nicht aufgeklärt wurde, sprechen die Gerichte dem Patienten einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz zu.
Obwohl ein Zahnarzt die Implantatversorgung lege artis durchgeführt hatte, musste er 3.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, weil die Patientin nicht über die Risiken einer Abstoßung aufgeklärt wurde. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg mit Urteil vom 29. Mai 2008 (Az: 12 U 241/07) entschieden.
(http://www.iww.de)

Es genügt, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Patient sich gegen die OP und für eine andere Lösung entschieden hätte.
winterspaziergang

Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von winterspaziergang »

Newbie2007 hat geschrieben: (Im übrigen ist die Aussage "tatsächlich und nachweisbar eine Folge des Eingriffs ist, d.h. ein Fehler passiert ist, ohne den es in keinem Fall zur besagten Folge gekommen wäre" schon rein denklogisch falsch.


gibt es auch eine andere Logik, als die des Denkens? :o Falsch ist nicht die Logik, sondern der logische Schluss, der Ihrerseits gezogen wird
Wenn ich Ihnen einen Eimer Wasser über dem Kopf ausschütte, werden Sie nass. Der Eimer Wasser war dann ursächlich für Ihre durchnässte Kleidung. Es könnte aber auch sein, dass Sie einfach ohne Regenschirm hinausgegangen sind und von einem Wolkenbruch überrascht wurden.
Das Beispiel hinkt. Das Wasser aus dem Eimer ist in jedem Fall Ursache meiner durchnässten Kleidung, wenn sie vorher trocken und direkt nach dem Eimer nass ist. Da gibt es nichts zu deuten. Wenn Ihnen jemand ins Auto fährt, überlegt man natürlich genauso wenig, dass der Schaden auch durch einen 3. Autofahrer hätten entstehen können oder durch Steinschlag. Das hat aber nichts mit Komplikationen bei medizinischen Eingriffen gemein
Auf den medizinischen Bereich übertragen, wenn der Anästhesist einen Fehler macht und der Patient dadurch einen Gehirnschaden erleidet, dann ist die Ursächlichkeit nicht dadurch widerlegt, dass auch andere Ursachen für den Gehirnschaden in Frage kommen.)
Wenn ein klarer Fehler nachweisbar ist, muss man natürlich nicht aufzählen, welche anderen Möglichkeiten für einen Hirnschaden in Frage kommen. In der Medizin ist aber eben gerade nicht jede Behandlungsfolge so klar, wie der o.a. Eimer Wasser, genau das ist der Punkt. Darauf habe ich im zitierten Absatz allgemein Bezug genommen.
a) Die Nutzen-Risiko-Abwägung obliegt aber nicht allein dem Arzt, sondern - sofern bei Bewußtsein - vor allem dem Patienten.
Hab ich irgendwo behauptet, der Arzt allein entscheidet?

Die rechtliche Frage kann im Streitfall sein, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit der Patient, der- nachdem die Komplikation eingetreten ist- die Behandlung in Frage stellt, sich bei Würdigung der Sachlage vor OP und vor Eintreten der Komplikation, bei Betrachtung der Nutzen-Risiko-Abwägung eher für oder gegen die OP entschieden hätte.
Dass er nach Eintreten der Komplikation sagt, "hätte ich das mal nicht gemacht!" kann hierfür nicht herangezogen werden.
Eine Operation ohne die informierte Zustimmung des Patienten stellt aus strafrechtlicher Sicht eine Körperverletzung dar!
ja, was für Neuigkeiten
b) Die fehlende Aufklärung über mögliche Folgen einer Operation stellt in der Regel einen groben Behandlungsfehler dar und führt dann ebenfalls zu ener Umkehr der Beweislast. Und es kommt noch besser. Auch wenn feststeht, dass der Folgeschaden ein normales Risiko der Behandlung ist, der Patient hierüber aber nicht aufgeklärt wurde, sprechen die Gerichte dem Patienten einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz zu.
[/quote]

Daher die Frage zur Aufklärung vor der OP des fiktiven Patienten aus dem Eingangsbeitrag.
MartinZirkus
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von MartinZirkus »

b)eine Aufklärung über eine solche OP-Komplikation nicht erfolgte.
Das läßt sich ja recht einfach klären:
Nach einem halben Jahr erfolgt eine obligatorische Computertomografie, bei der als neuer Befund eine Bauchhernie festgestellt wurde.Diese soll jetzt durch eine Operation versorgt werden.
Damit dürften die Akten ja vorhanden sein. Gemäß Patientenrechtegesetz (seit 2014) hätte sogar unaufgefordert eine Kopie der Aufklärung mitgegeben werden müssen.

Also:

1. Akten einsehen und prüfen, ob tatsächlich nicht über eine Hernie als Komplikation aufgeklärt wurde.
2. Falls sich nirgendwo ein solcher Eintrag finden läßt: :arrow: Medizinrechtsanwalt aufsuchen, der über das weitere Vorgehen beraten sollte.

Eine Hernie gehört zu den sog. "eingriffstypischen" Komplikationen und oft werden standardisierte Aufklärungsbögen verwendet. Man sollte also sehr genau prüfen, ob eine solche Komplikation nirgendwo dokumentiert ist.
Falls darüber aufgeklärt wurde ist m.E. eine Beschwerde sinnlos.

MZirkus
Newbie2007
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Newbie2007 »

winterspaziergang hat geschrieben:
Newbie2007 hat geschrieben: (Im übrigen ist die Aussage "tatsächlich und nachweisbar eine Folge des Eingriffs ist, d.h. ein Fehler passiert ist, ohne den es in keinem Fall zur besagten Folge gekommen wäre" schon rein denklogisch falsch.
...
Darauf habe ich im zitierten Absatz allgemein Bezug genommen.
Seufz. Heißt das, es ist gar nicht so gemeint, wie es wörtlich da steht? Warum schreiben Sie es dann?
a) Die Nutzen-Risiko-Abwägung obliegt aber nicht allein dem Arzt, sondern - sofern bei Bewußtsein - vor allem dem Patienten.
Hab ich irgendwo behauptet, der Arzt allein entscheidet?
Nehmen Sie als - notwendige - Ergänzung. 8)
winterspaziergang

Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von winterspaziergang »

Newbie2007 hat geschrieben: Seufz. Heißt das, es ist gar nicht so gemeint, wie es wörtlich da steht? Warum schreiben Sie es dann?
Natürlich habe es ich es so gemeint, wie ich es gemeint habe, aber nicht so, wie Sie es verstanden haben. 8)
Hier vielleicht noch eine Ergänzung zum Haftungsrecht in der Medizin
Der Patient muss beim Schadensersatzanspruch allgemein beweisen, dass der Arzt durch einen konkreten Fehler seine jetzt beklagten Beschwerden verursacht hat.

Auch das Verschulden des Arztes und die oben erwähnte Kausalität muss der Patient nachweisen
Wilfried
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Wilfried »

Obwohl diese Hernie zu den eingriffstypischen Komplikationen gehört, ist der ohne Zeugen abgegebene Kommentar seitens der Klinik: "Sie können das nicht beweisen".

Und damit hat die Krankenkasse und der Patient den schwarzen Peter; der eine hat die Kosten und der andere die Schmerzen.
webelch
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von webelch »

Wilfried hat geschrieben:"Sie können das nicht beweisen".
Was nicht beweisen?
CDS
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von CDS »

Hallo!

"Wenn ich Ihnen einen Eimer Wasser über dem Kopf ausschütte, werden Sie nass. Der Eimer Wasser war dann ursächlich für Ihre durchnässte Kleidung. Es könnte aber auch sein, dass Sie einfach ohne Regenschirm hinausgegangen sind und von einem Wolkenbruch überrascht wurden. "

Nun, das Beispiel passt in leicht veränderter Weise schon:

"Ich schütte Ihnen einen Eimer Wasser über den Kopf. Nach 6 Monaten stellen Sie fest das Ihre Schuhe einen Wasserschaden haben."
Ist es als bewiesen anzusehen das dieser Schaden durch den Eimer Wasser entstanden ist?
Newbie2007
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Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von Newbie2007 »

winterspaziergang hat geschrieben:
Auch das Verschulden des Arztes und die oben erwähnte Kausalität muss der Patient nachweisen
Das ist eben nicht ganz richtig. Wenn der Patient einen schweren Behandungsfehler nachweist, dann kehrt sich dadurch die Beweislast für die Kausalität um.
winterspaziergang

Re: Beweis eines OP-Schadens

Beitrag von winterspaziergang »

Newbie2007 hat geschrieben:
winterspaziergang hat geschrieben:
Auch das Verschulden des Arztes und die oben erwähnte Kausalität muss der Patient nachweisen
Das ist eben nicht ganz richtig. Wenn der Patient einen schweren Behandungsfehler nachweist, dann kehrt sich dadurch die Beweislast für die Kausalität um.
:roll: soweit waren wir doch schon am 21.04. oder?
und nur weil der TE den Thread wieder aktiviert und weiterhin die Frage offen ist, ob er nun über die OP-üblichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde, muss dieser an der Stelle irrelevante Hinweis nicht nochmals aufgewärmt werden.

Und zum x-ten Mal: Wenn man Zitate aus dem Kontext reißt, verzerrt man die Aussage.
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