tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

internationale Wirtschaftsbeziehungen, Import/Export, Vertragsgestaltung, Durchsetzung/Sicherung von Forderungen, internationale Rechtshilfe in Strafsachen

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datenrettung
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tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

Beitrag von datenrettung »

in syrien werden zz tuerkische soldaten von den isis terroristen umstellt. die tuerkischen soldaten sollen sich auf tuerkischem hoheitsgebiet in syrien befinden,

"..Das Mausoleum von Süleyman Shah, dem Großvater des ersten osmanischen Sultans, liegt innerhalb Syriens auf einem exterritorialen Stück Land, das zur Türkei gehört..."

sollten die terroristen dieses tuerkische? gebiet bzw. dessen soldaten angreifen, so kann die tuerkei den buendnisfall ausrufen, welches zur folge haette, dass die gesamte nato gegen die isis steht und faktisch militaerisch die isis angreifen muss?!

zudem muss deutschland an diesem buendnisfall sich ebenfalls militaerisch beteiligen? oder waere dies eine freiwillige beteiligung?
Mike Gimmerthal
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Re: tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

Beitrag von Mike Gimmerthal »

Würde die Nato den Bündnisfall ausrufen würde der jedenfalls nicht für Angriffe auf den IS herhalten können.
Die Vorgabe (des Artikels 5 NatoVertrag - A.d.V.) ist die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Sicherheit, nicht der Vollzug von Vergeltungsschlägen.
AG-Friedensforschung hat geschrieben:Wichtig scheint mir, dass dieser Bündnisfall keinerlei Automatismus eines militärischen Engagements auslöst. Jeder Mitgliedstaat kann frei entscheiden, welchen Beitrag zur Wiederherstellung der Sicherheit ihm notwendig erscheint.
Also kann man m.E. die Fragen
datenrettung hat geschrieben:- dass die gesamte nato gegen die isis steht und faktisch militaerisch die isis angreifen muss?!
- zudem muss deutschland an diesem buendnisfall sich ebenfalls militaerisch beteiligen?
- oder waere dies eine freiwillige beteiligung?
so beantworten:
Nein
Nein
Ja
Zuletzt geändert von Mike Gimmerthal am 30.09.14, 22:22, insgesamt 2-mal geändert.
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FM
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Re: tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

Beitrag von FM »

Die Reaktion auf den Bündnisfall ist im Nordatlantikvertrag wie folgt beschrieben:
Artikel 5

Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa* oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegen-maßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.
Deutschland müsste also der Türkei Beistand leisten und erforderliche Maßnahmen ergreifen, aber nicht unbedingt Kampftruppen der Bundeswehr entsenden. Maßnahmen können diplomatischer, wirtschaftlicher, politischer, miltärischer oder anderer Art sein. Aber sie können eben auch militärisch sein, man könnte also dann z.B. Luftangriffe fliegen ohne UN-Mandat. Das sehen andere NATO-Länder zwar weniger problematisch, aber für Deutschland wäre ein Angriffskrieg eben nicht erlaubt (Art. 26 GG).

* nach Art. 6 Abs. 2 zählt die Türkei insgesamt zu diesem Gebiet
datenrettung
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Re: tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

Beitrag von datenrettung »

tuerkei beschliesst militaereinsatz und erwaegt das ausrufen eines nato buendnisfalls...

frage, wie sind nun die ablaeufe. reicht es, wenn ein natopartner den buendnisfall erklaert oder muessen mehrere andere natopartner dieses bestaetigen?
Mike Gimmerthal
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Re: tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

Beitrag von Mike Gimmerthal »

datenrettung hat geschrieben:tuerkei beschliesst militaereinsatz und erwaegt das ausrufen eines nato buendnisfalls...
frage, wie sind nun die ablaeufe. reicht es, wenn ein natopartner den buendnisfall erklaert oder muessen mehrere andere natopartner dieses bestaetigen?
Nach 9/11 hat es ausgereicht, dass die USA den "Bündnisfall" ausgerufen hat [sicr] :mrgreen: . Ausserdem war es das erste und einzige Mal in der Geschichte der Nato. Und er ist bis heute nicht beendet, was 9/11 neue Brisanz gibt.
Ist aber in "Wahrheit" nicht so ... (eine Diskussion wert wäre das allemal, aber dann besser in SC)
Formal - und auch in diesem Fall - beschließt der Nordatlantikrat den Bündnisfall.

Zur Rechtslage der Ausrufung des Bündnisfalls empfehle ich diese Lektüre.

Aus dem 9/11 Thread
Nordland hat geschrieben:Wieso? hast du einen Beweis für die Existenz des IS?
Die Frage macht bei dieser Betrachtung
Natostatut hat geschrieben:... Ist die unmittelbare Gefahr eines Angriffs auf das betroffene Mitgliedsland abgewendet, besteht kein Recht mehr, die militärischen Maßnahmen fortzuführen. Eine Präventivverteidigung gegen mutmaßliche neue Angriffe ist völkerrechtlich unzulässig.
Sinn. Wenn der IS nur ein "Konstrukt" wäre, dann könnte man es als vorgeschobenen Grund für einen "völkerrechtlich legitimen" Angriffskrieg gegen Syrien (aus geostrategischen Interessen) sehen.
Nur um das klar zu stellen: Ich halte den IS für sehr real - wenn auch nicht für eine Bedrohung des Abendlandes 8)
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FM
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Re: tuerkei, nato, deutschland, buendnisfall?

Beitrag von FM »

Mike Gimmerthal hat geschrieben: Nur um das klar zu stellen: Ich halte den IS für sehr real - wenn auch nicht für eine Bedrohung des Abendlandes 8)
Bedrohung der Türkei reicht ja schon, auch wenn die eher nicht zum Abendland zählt und vielleicht beim NATO-Beitritt niemandem bewußt war, dass diese Halbinsel im Euphrat auch noch Türkei ist.

Die Türkei wurde 1952 in die NATO aufgenommen, weil sie sowohl gegenüber der Sowjetunion als auch gegenüber dem Nahen Osten und im Mittelmeer eine strategisch wichtige Position ist. Sozusagen der militärische Puffer zwischen Abendland und Morgenland sowie Kommunismus. Und das macht die Türkei natürlich nur mit, wenn ihr gesamtes Staatsgebiet, nicht nur Istanbul, unter NATO-Schutz fällt.

Ob dieses Gebiet türkisches Staatsgebiet ist, scheint aber noch nicht so ganz klar zu sein: http://www.europeonline-magazine.eu/ist ... 57896.html

Nicht in allem vergleichbar aber doch ähnlich war früher die Frage, ob ein Angriff auf West-Berlin ein Angriff auf die NATO gewesen wäre.
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