Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

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Farn
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Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von Farn »

Wie sollte man sich verhalten, wenn man ca. 2-3Monate krankgeschrieben ist und der Chef den behandelnden Arzt ohne Wissen des krankgeschriebenen Arbeitnehmers aufsucht. Zweck des Besuchs wäre, den Arzt aufzufordern ein weiteres Attest auszustellen, daß über den bisherigen Krankheitsverlauf auf gewünschte Weise Auskunft geben soll.
Der Arzt hält sich an seine Schweigepflicht, der Arbeitnehmer ist aber dennoch verunsichert und findet das Verhalten des Chefs zumindest übergriffig. Wäre eine (und wenn welche) Reaktion empfehlenswert, sinnvoll oder sollte besser unterbleiben?
Wie ist die Rechtslage?
winterspaziergang

Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von winterspaziergang »

Farn hat geschrieben: Der Arzt hält sich an seine Schweigepflicht, der Arbeitnehmer ist aber dennoch verunsichert und findet das Verhalten des Chefs zumindest übergriffig. Wäre eine (und wenn welche) Reaktion empfehlenswert, sinnvoll oder sollte besser unterbleiben?
Wie ist die Rechtslage?
Die Frage, ob eine Reaktion empfehlenswert ist, ist keine, die sich mit der Rechtslage beantworten lässt.
Bei "welche" kann man rechtlich an einen Unterlassungsanspruch denken.

Zwischenmenschlich dürfte- ohne weitere Info zu den Hintergründen und wieso der Chef sich so verhält- ein Gespräch mit ihm und u.U. mit Beistand eines Betriebsrates zunächst sinnvoller sein.

Der Chef hat natürlich ein Recht auf die Info über den weiteren Verlauf der AU (nicht welche Krankheit) und die voraussichtliche Dauer oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, aber er darf das nicht selbst in die Hand nehmen. Hierzu wäre das Einschalten des MDK möglich.
Altbauer
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von Altbauer »

Farn hat geschrieben:Wie ist die Rechtslage?
Ein Arbeitgeber kann, so wie jedermann, jedem Mitmenschen jede Frage stellen.

Der gefragte muss dann wissen.
- ob er antworten kann
- ob er antworten will
- ob er antworten darf
Evariste
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von Evariste »

Altbauer hat geschrieben:
Farn hat geschrieben:Wie ist die Rechtslage?
Ein Arbeitgeber kann, so wie jedermann, jedem Mitmenschen jede Frage stellen.
Keineswegs. Das Fragerecht ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht begrenzt, sofern die erhobenen Informationen für die Personalakte bestimmt sind, greift auch das Datenschutzrecht.
matthias.
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von matthias. »

Evariste hat geschrieben:
Altbauer hat geschrieben:
Farn hat geschrieben:Wie ist die Rechtslage?
Ein Arbeitgeber kann, so wie jedermann, jedem Mitmenschen jede Frage stellen.
Keineswegs. Das Fragerecht ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht begrenzt, sofern die erhobenen Informationen für die Personalakte bestimmt sind, greift auch das Datenschutzrecht.

Und ein Verstoss kann teuer werden.

Es ist keineswegs so, dass jeder einfach so jeden was fragen darf.
windalf
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von windalf »

Wie ist die Rechtslage?
Was genau soll denn erreicht werden? Welches Ziel ist angestrebt?
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Zitat Karsten: Das beweist vor Allem, dass es windalf auch nicht gibt.
Celestro
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von Celestro »

matthias. hat geschrieben:Es ist keineswegs so, dass jeder einfach so jeden was fragen darf.
Kannst Du sagen, wessen sich der AG strafbar machen sollte, wenn er den Arzt etwas fragt ? Würde mich schwer interessieren.
matthias.
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von matthias. »

Das Fragen wäre eine Erhebung von Daten §4 BDSG (hofentlich nicht erfolgreich).

Die Bussgeldvorschriften findest du da:

http://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_1990/__43.html
H.Lelele
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von H.Lelele »

Guten Tag,
mich wundert das Vorgehen des AG sehr, da der Gesetzgeber bei Zweifeln an der AU ein Verfahren vorschreibt: Der AG kann sich an die Krankenkasse wenden, diese wird dann ein Gutachten beim medizinischen Dienst MDK veranlassen.
Im Ergebnis kann der AG also schnell und unbürokratisch die erwuenschte Auskunft erhalten (AU berechtigt : ja, nein und wenn ja, vorauss. bis wann)

Noch mehr wundert mich, daß die Kasse anstandslos Krankengeld bezahlt, ohne selbst ein MDK-Gutachten angefordert zu haben. Zumindest in meinem Umkreis zahlt keine KK auch nur 1 Cent KG, ohne vorher ein AU-Gutachten vom MDK angefordert zu haben.

Vielleicht sollte der Arbeitnehmer mal bei seiner Kasse nachfragen, ob nicht doch schon (nach Aktenlage) solch ein Gutachten vorliegt. Wenn die Kasse KG zahlt, dann wurde die AU vom MDK ja bestaetigt, man koennte ja dem AG dann eine Kopie dieses Gutachtens durch die KK zuleiten lassen.
gmmg
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von gmmg »

matthias. hat geschrieben:Das Fragen wäre eine Erhebung von Daten §4 BDSG (hofentlich nicht erfolgreich).
Ich denke ganz so weit geht das Datenschutzrecht nicht. In § 1 BDSG wird der Anwendungsbereich des Gesetzes geregelt. Das bloße Nachfragen ohne den Zweck der Speicherung oder Verarbeitung in Datenverarbeitungsanlagen/Dateien dürfte nicht unter das Gesetz fallen. Das Gedächtnis ist nicht vom Gesetz erfasst.

Dem Auskunftsersuchen kann natürlich trotzdem nicht stattgegeben werden.
hambre
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von hambre »

Evariste hat geschrieben:Keineswegs. Das Fragerecht ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht begrenzt
matthias hat geschrieben:Es ist keineswegs so, dass jeder einfach so jeden was fragen darf.
Diese beiden Aussagen sind ganz einfach falsch. Jeder darf jeden fragen was er will.

Gesetzlichen Einschränkungen unterliegt nicht die Frage, sondern vielmehr die Antwort.
windalf
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von windalf »

Der AG kann sich an die Krankenkasse wenden, diese wird dann ein Gutachten beim medizinischen Dienst MDK veranlassen.
Wo steht denn in dem Sachverhalt, dass es sich um einen gesetztlich Versicherten handelt?
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Zitat Karsten: Das beweist vor Allem, dass es windalf auch nicht gibt.
Evariste
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von Evariste »

gmmg hat geschrieben:
matthias. hat geschrieben:Das Fragen wäre eine Erhebung von Daten §4 BDSG (hofentlich nicht erfolgreich).
Ich denke ganz so weit geht das Datenschutzrecht nicht. In § 1 BDSG wird der Anwendungsbereich des Gesetzes geregelt. Das bloße Nachfragen ohne den Zweck der Speicherung oder Verarbeitung in Datenverarbeitungsanlagen/Dateien dürfte nicht unter das Gesetz fallen. Das Gedächtnis ist nicht vom Gesetz erfasst.
In der Regel werden die Antworten dann auch irgendwo in der Personalakte (§1 BDSG spricht auch von "nicht automatisierten Daten") erfasst, und dann ist das BDSG doch wieder einschlägig.
hambre hat geschrieben:Jeder darf jeden fragen was er will.
Dieses "Fragen" nennt man im Datenschutzrecht "Erheben". Und das Erheben von persönlichen Daten unterliegt sehr wohl gesetzlichen Einschränkungen.

Unabhängig davon, ob die erfragten Informationen nun für die Personalakte oder nur für das Gedächtnis des Arbeitgebers bestimmt sind, liegt m. E. hier auch eine gesetzwidrige Nutzung von persönlichen Daten durch den AG vor. Die Information, bei welchem Arzt der AN in Behandlung ist, gehört nämlich ebenfalls zu den geschützten persönlichen Daten des AN.
windalf
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von windalf »

Die Information, bei welchem Arzt der AN in Behandlung ist, gehört nämlich ebenfalls zu den geschützten persönlichen Daten des AN.
Und wenn der AG die AU bekommt muss er dann die Augen zusammenkneifen um den Stempel vom Arzt nicht zu sehen oder wie?
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Zitat Karsten: Das beweist vor Allem, dass es windalf auch nicht gibt.
Evariste
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Re: Arbeitgeber sucht Arzt von Arbeitnehmer auf

Beitrag von Evariste »

windalf hat geschrieben:
Die Information, bei welchem Arzt der AN in Behandlung ist, gehört nämlich ebenfalls zu den geschützten persönlichen Daten des AN.
Und wenn der AG die AU bekommt muss er dann die Augen zusammenkneifen um den Stempel vom Arzt nicht zu sehen oder wie?
Er darf die AU-Bescheinigung sogar einscannen und den Scan auf einem (selbstverständlich entsprechend abgesichertem) Computersystem speichern.

Es geht nicht ums Speichern, sondern um die Nutzung der Daten. Die Adresse heraussuchen und den Arzt anrufen ist eine bestimmte Nutzung der Daten, diese ist vom Gesetz nicht abgedeckt.

§4 Abs. 4 BDSG:
Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.
Bei der Einwilligung - dies nur vorsichtshalber - ist wiederum zu beachten, dass eine datenschutzrechtliche Einwilligung sich stets auf eine bestimmte Nutzung erstreckt. Eine Blankvollmacht "hier hast Du meine Daten, mach damit, was Du willst" gibt es nicht.
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