Sitzenbleiben

politische Aspekte von Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben; rechtliche Aspekte von politischem Agieren

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Redfox

Re: Sitzenbleiben

Beitrag von Redfox »

moro hat geschrieben:In Europa gibt es gerade mal drei Länder, in denen die Schüler automatisch versetzt werden. Und diese Länder liegen in den Pisa-Studien teils vor, teils hinter Deutschland, nämlich Norwegen, Island und Bulgarien:
"In vielen Ländern ist das Sitzenbleiben schon längst ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert. In ganz Europa lassen nur noch acht von 28 Ländern ihre Schüler sitzenbleiben." --> http://www.rtl.de/cms/ratgeber/sitzenbl ... 93435.html

"Während Deutschland beim Sitzenbleiben in der Spitzengruppe liegt, haben erfolgreichere Pisa-Staaten es ganz abgeschafft." --> http://www.spiegel.de/schulspiegel/sitz ... 64198.html

"All die Länder, die heutzutage die Rankings und Vergleichsstudien im Bildungsbereich dominieren, kennen das Sitzenbleiben nicht. Weder Finnland, Schweden Großbritannien oder die USA, ja noch nicht einmal die so auf Disziplin bedachten Südkoreaner und Chinesen." --> http://www.wiwo.de/erfolg/campus-mba/si ... 07418.html

"In keinem anderen der OECD-Länder
werden so viele Schüler und Schülerinnen zwangsweise zu Repetenten gemacht wie bei uns. Wie sich herausstellte, hatten 24 % der in PISA 2000 untersuchten 15-Jährigen in Deutschland mindestens einmal eine Jahrgangsklasse wiederholen müssen, während in vielen Ländern Klassenwiederholungen überhaupt keine Rolle spielten." --> http://www.aktion-humane-schule.de/Vort ... leiben.pdf

"Als ob Japan und England, Schweden und Finnland keine Leistungsgesellschaften wären! Diese Länder haben das Sitzenbleiben weitgehend abgeschafft" --> www.zeit.de/2004/30/01__leit_2_30
PurpleRain
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Re: Sitzenbleiben

Beitrag von PurpleRain »

Redfox hat geschrieben:Hiernach --> http://www.spiegel.de/schulspiegel/wiss ... 46709.html ist Sitzenbleiben nutzlos und teuer.
Schaut man unmittelbar in die Studie http://www.(Wortsperre: Firma)-stiftung.de/bst/ ... 9362_2.pdf , stallt man fest:
  • Die Nutzlosigkeit ist nicht selber erforscht, sondern einfach anhand von passend herausgesuchten anderen Studien geschlossen.
    Die Zusatzkosten in Milliardenhöhe nicht real, sondern nur buchungstechnisch existieren. Tatsächlich hat die Schule keine feststellbare Mehrausgaben durch die Tatsache, dass eine Klasse mit 27 Schülern nun durch den Sitzenbleiber auf 28 aufgestockt wird.
"Das ganze Problem mit der Welt ist, dass Dummköpfe und Fanatiker der Richtigkeit ihrer Sicht immer so sicher, weise Menschen aber so voller Zweifel sind." Bertrand Russel
Redfox

Re: Sitzenbleiben

Beitrag von Redfox »

PurpleRain hat geschrieben: Tatsächlich hat die Schule keine feststellbare Mehrausgaben durch die Tatsache, dass eine Klasse mit 27 Schülern nun durch den Sitzenbleiber auf 28 aufgestockt wird.[/list]
Wir haben aber einen Schüler, der die Schule (wenn er nicht später eine Klasse überspringt oder vorher übersprungen hat), sich insgesamt ein Jahr länger im Schulsystem aufhält.

Auswirkungen?

Und was ist, wenn die Höchsschülerzahl bei 27 liegen sollte und die Klasse bei 28 Schülern geteilt werden muss?
PurpleRain
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Re: Sitzenbleiben

Beitrag von PurpleRain »

Redfox hat geschrieben:Wir haben aber einen Schüler, der die Schule (wenn er nicht später eine Klasse überspringt oder vorher übersprungen hat), sich insgesamt ein Jahr länger im Schulsystem aufhält. Auswirkungen?
Ich sehe keine nennenswerten Auswirkungen. Die Klassenstärken steigen wohl im Durchschnitt um einen halben Schüler. Da aber Schulbücher, Möbel usw. für die Höchstschülerzahl+Reserve vorhanden sind, sollte dies kein Problem sein.
Redfox hat geschrieben:Und was ist, wenn die Höchsschülerzahl bei 27 liegen sollte und die Klasse bei 28 Schülern geteilt werden muss?
Auch dann wird keine zusätzliche Klasse aufgestellt - das lässt sich in den sechs Wochen Sommerferien einfach nicht mehr bewerkstelligen.
Das Problem dürfte auch extrem selten tatsächlich auftauchen. Dazu müssten alle Parallelklassen des jüngeren Jahrgangs bis exakt an die Höchstschülerzahl ausgereizt sein. Das kann, und wird, die Schule ab, je nach Klassenstärkevorgaben, drei oder vier Parallelklassen verhindern.
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Re: Sitzenbleiben

Beitrag von Stan78 »

Redfox hat geschrieben: Andererseits ist m.W. das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich, auch zu dem der Pisa-Spitzenreiter teuer.
Das ist völlig falsch (es sei denn, man nimmt China und Südkora als Maßstab, bei denen das Schulsystem grundlegend anders organisiert ist und die Pisa-Ergebnisse in meinen Augen sehr zweifelhaft sind). Der höchste zu ermittelnde Korrelationsgrad zwischen erreichter Pisa-Punktzahl und irgend einer anderen Größe ist der zwischen Punktzahl und pro Schüler investiertes Geld gemessen am BIP. Das heißt: wenn man die Pisa Studie überhaupt heranziehen kann um irgend einen Einfluss nachzuweisen, dann den, dass mehr investiertes Geld zu größeren Bildungserfolgen führt. Es ist sogar so, dass Deutschland bereits relativ gut darsteht, wenn man das in das Schulwesen fließende Geld berücksichtigt, fast alle vor uns liegenden Industrienationen investieren wesentlich mehr Geld, während hinter uns einige Länder liegen, die mehr investieren und trotzdem weniger herausbekommen (zB die USA). (Quelle: Statistisches Bundesamt, OECD Durchschnitt 6,1%, Deutschland 5,3%, allerdings gemessen 2001 mit der 1. PISA-Studie)
Das ist auch kein Wunder, denn das deutsche Schulsystem ist stark optimiert: gerade das Gymnasium ist hochgeradig effekiv, was die eingesetzten Mittel angeht - nur durch das Zusandekommen homogener Lerngruppen durch die Dreigliedrigkeit sind Klassengrößen mit 34 Schülern möglich, an keiner anderen Schulform geht das.
Redfox hat geschrieben:Und was ist, wenn die Höchsschülerzahl bei 27 liegen sollte und die Klasse bei 28 Schülern geteilt werden muss?
Und kennen Sie irgendeinen Fall, in dem eine Klasse geteilt wurde, weil ein "Sitzenbleiber" dazu gekommen ist? Nein? Ist auch kein Wunder, das kommt so gut wie nie vor. Faktisch wird eine Klasse nämlich nicht geteilt, wenn die Höchstschülerzahl überschritten wird, da gibt es "Puffer". Bei uns in Niedersachsen liegt der bei 10%, heißt zB, dass der Klassenteiler in Klasse 5 bei uns im letzten Jahr bei 33 Schülern lag und bis zu dieser Anzahl Schüler von außen aufgenommen werden. Sind die Klassen voll, werden keine Externen mehr aufgenommen, "Wiederholer" bekommen aber trotzdem einen Platz. Erst wenn die Zahl dadurch dann auf 37 oder mehr steigt, wird die Klasse geteilt.
Redfox

Re: Sitzenbleiben

Beitrag von Redfox »

Stan78 hat geschrieben:Faktisch wird eine Klasse nämlich nicht geteilt, wenn die Höchstschülerzahl überschritten wird, da gibt es "Puffer". Bei uns in Niedersachsen liegt der bei 10%, heißt zB, dass der Klassenteiler in Klasse 5 bei uns im letzten Jahr bei 33 Schülern lag und bis zu dieser Anzahl Schüler von außen aufgenommen werden. Sind die Klassen voll, werden keine Externen mehr aufgenommen, "Wiederholer" bekommen aber trotzdem einen Platz. Erst wenn die Zahl dadurch dann auf 37 oder mehr steigt, wird die Klasse geteilt.
Interessant.

Das bedeutet also, dass nur auf Grund von Wiederholern, die es geben könnte, die Klassenfrequenz vorsorglich auf 33 Schüler begrenzt wird, obwohl pädagogisch 36 auch kein Problem wären (und dementsprechend mehr Lehrkräfte beschäftigt werden müssen).

Dann verursachen "Wiederholer" also schon Kosten, weil es sie geben könnte, nicht erst dann, wenn es sie gibt.

Das war mir neu.
Stan78
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Re: Sitzenbleiben

Beitrag von Stan78 »

Redfox hat geschrieben: Das bedeutet also, dass nur auf Grund von Wiederholern, die es geben könnte, die Klassenfrequenz vorsorglich auf 33 Schüler begrenzt wird, obwohl pädagogisch 36 auch kein Problem wären (und dementsprechend mehr Lehrkräfte beschäftigt werden müssen).
Interessant, ich habe mich immer gefragt, wie man auf solche Regelung kommen kann, dank ihren Ausführungen habe ich jetzt eine Ahnung davon, was für eine Art verquerer Logik in den Köpfen des Gesetzgebers vorgegangen sein muss.

PS:
Redfox hat geschrieben: ...obwohl pädagogisch 36 auch kein Problem wären ...
Treppenwitz: Sitzenbleiben wird in Zukunft durch individuelle Förderung überflüssig. Bei dem genannten Zahlen kann ich mich jedem Schüler pro Stunde immerhin 80 Sekunden individuell zuwenden (natürlich vorausgesetzt, wir schaffen frontale Phasen in der Großgruppe vollständig ab, was ja nach Ansicht mancher Schul"experten" auch wünschenswert ist.)
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