Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

politische Aspekte von Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben; rechtliche Aspekte von politischem Agieren

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Dipl.-Sozialarbeiter
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Dipl.-Sozialarbeiter »

Nordland hat geschrieben:... Er hat dabei aber einen allgemeingültigen Auftrag, nämlich das ganze Volk (und nicht nur die Menschen, die ihn gewählt haben) zu vertreten. ...
Und woher weiß der einzelne Abgeordnete was das Volk in seiner Gesamtheit will, damit er das gesamte Volk vertreten kann?

Macht der Abgeordnete etwa vor einer Abstimmung eine allgemeine Volksbefragung?

Das Problem bei allgemeinen Stammtischthemen ist doch, dass der (meist rechte) Stammtisch meint, er sei das Volk. ;-)
Nordland
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Nordland »

Unser Klaus wie er leibt und lebt... Mal eben so die Demokratie in Zweifel ziehen. Es könnte ja sein, dass das Volk eine rechte Stammtischmeinung vertritt. Das darf nicht sein und praktischerweise heiligt bei uns Kämpfern gegen rechts der Zweck regelmäßig die Mittel.

Der Abgeordnete braucht keine Volksbefragung zu machen. Er muss nur die tatsächlichen Auswirkungen seiner Entscheidungen auf das gesamte Volk berücksichtigen. Wenn er also selbst in einer Scheinwelt lebt, in bestimmten Stadtvierteln wohnt und seine Kinder auf bestimmte Schulen schickt, hat er trotzdem zu bedenken, dass es auch andere Stadtviertel und anders besetzte Schulen gibt. Tatsächlich bestehende Probleme sollte er also nicht ausblenden, auch wenn er selbst nicht betroffen ist. So einfach ist das.

Und wenn das Rechtsempfinden eines mehrheitlichen Teils der Bevölkerung besagt, dass bei der gegenwärtigen Strafzumessung der materielle Schaden gegenüber dem psychischen Schaden ein zu hohes Gewicht hat, dann kann das durchaus von den Volksvertretern aufgegriffen werden. Dass ich das jemandem erklären muss, der sich "Dipl.-Sozialarbeiter" nennt, ist schon ganz speziell.
Dipl.-Sozialarbeiter
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Dipl.-Sozialarbeiter »

Nordland hat geschrieben:... Er muss nur die tatsächlichen Auswirkungen seiner Entscheidungen auf das gesamte Volk berücksichtigen. ...
Und das steht wo?

Ist er nicht "nur [seinem] Gewissen unterworfen"?

Die Anwort finden Sie hier :!:

Das Volk wählt zwar die Abgeordneten, aber die Abgeordneten sind dem Volk gegenüber nicht rechenschaftspflichtig.

Das Volk soll sich mal nicht wichtiger nehmen als es tatsächlich ist.
Nordland hat geschrieben:Und wenn das Rechtsempfinden eines mehrheitlichen Teils der Bevölkerung besagt, dass bei der gegenwärtigen Strafzumessung der materielle Schaden gegenüber dem psychischen Schaden ein zu hohes Gewicht hat, dann kann das durchaus von den Volksvertretern aufgegriffen werden.
Das Rechtsempfinden ist m.E. kein juristischer Begriff. Die Anhänger des FC-Bayern werden die Verurteilung von Uli H. zu hart empfinden, und die des BVB eher zu lasch. Was die Fans des Hamburger SV zum Urteil gegen den Uli meinen, könnten Sie ja mal erfragen.

Also, auf das Rechtsempfinden können Sie getrost ein Ei braten.
Nordland
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Nordland »

Klaus, wenn es einen Wettbewerb dafür gäbe, möglichst erfolgreich jeden Versuch einer sachlichen Diskussion abzuwürgen, würde ich dich in meinen Stall aufnehmen. Du würdest mir einiges einbringen...
Dipl.-Sozialarbeiter hat geschrieben:Ist er nicht "nur [seinem] Gewissen unterworfen"?
Selbst dir hätte ich zugetraut, zu verstehen, dass damit sichergestellt werden soll, dass der Abgeordnete frei entscheiden darf und beispielsweise nicht wegen seiner Entscheidungen vor den Kadi gezogen werden kann. Das ändert aber nichts an seinem Auftrag als Volksvertreter. Inwieweit man zur Rechenschaft gezogen werden kann oder nicht, ändert nicht den der Parlamentsarbeit zugrunde liegenden Auftrag. Und wenn man jemanden vertritt, handelt man dem landläufigen Verständnis nach an dessen Stelle. Aber unter Sozialarbeitern scheint ein anderes Verständnis für den Begriff zu herrschen. Ungeachtet dessen deutet auch schon die Aussicht auf die nächste Wahl darauf hin, dass ein Abgeordneter kaum jegliche Signale aus der Bevölkerung ignorieren können wird.

Erschreckend ist das Demokratieverständnis, das hier zum Ausdruck gebracht wird. Es handelt sich offensichtlich um ein Anti-Demokratieverständnis. Der Gesetzgeber (als Volksvertretung) kann das Strafgesetzbuch ändern, wenn er den Eindruck hat, das Volk sieht in der hergebrachten Gesetzgebung Mängel? Nicht, wenn die selbsternannte moralische Oberschicht etwas dagegen hat!

Nun gut, es ist ja nicht so, dass Klaus keine Vorbilder hätte und sich das alles selbst ausdenken würde. Es sei nur an die Herren in Brüssel und Straßburg erinnert. Diese umgehen äußerst gerne die demokratisch legitimierten Regierungen in den Nationalstaaten. Klar, Europa bringt uns ja den Frieden und wer die Herren kritisiert, ist ein Antieuropäer und rückwärtsgewandter Nationalist.

Diese selbstherrliche Einstellung bringt gewissen Bewegungen in Europa immer mehr Zulauf. Siehe etwa die UKIP. Auch in Deutschland ist damit zu rechnen, dass sich das Volk langsam von diesem Kastendenken abwendet. Letztendlich tragen auch solche Meinungsäußerungen wie die von Klaus dazu bei. Die AfD wird es zu schätzen wissen, wenn alleine schon die Möglichkeit einer Reform des Strafgesetzbuches verneint wird.
Klimaanlage

Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Klimaanlage »

@Nordland:
Machs doch endlich so, wie viele andere, die an einer vernünftigen Diskussion interessiert sind:
Ignorier einfach, was Dipl.-Sozialarbeiter an sinnbefreiten Störfeuern von sich gibt.

Wenn ich wieder mal solche sinnbefreiten Beiträge von ihm lese, wie in diesem Thread, dann ärger ich mich zwar kurz, dass die Ignore-Funktion bei ihm nicht anwendbar ist, weil er nunmal Mod ist, aber ich ingorier es dann schlicht und ergreifend und antworte nicht darauf.
Denn wenn man sich dann auf eine "Diskussion" mit ihm einlässt, wirds meistens noch schlimmer, weil er mit seiner kruden Rechtsauffassung wieder zusammenhanglos irgendwelche Wikiartikel verlinkt und komplett am Thema und der Diskussion vorbeischreibt...
Nordland
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Nordland »

Da hast du wohl Recht, Klima. Ist ja nicht so, dass ich nicht auch schon versucht hätte, die Ignore-Funktion einzuschalten. Geht aber leider nicht.

Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass er mit seinen Meinungsäußerungen nicht komplett alleine dasteht. Sie spiegeln, wenngleich oftmals nicht so direkt artikuliert, durchaus einen Trend der heutigen Zeit wider.
Dipl.-Sozialarbeiter
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Dipl.-Sozialarbeiter »

Nordland hat geschrieben:...
Erschreckend ist das Demokratieverständnis, das hier zum Ausdruck gebracht wird. Es handelt sich offensichtlich um ein Anti-Demokratieverständnis. Der Gesetzgeber (als Volksvertretung) kann das Strafgesetzbuch ändern, wenn er den Eindruck hat, das Volk sieht in der hergebrachten Gesetzgebung Mängel? Nicht, wenn die selbsternannte moralische Oberschicht etwas dagegen hat!
...
Was soll daran erschreckend sein, wenn - entsprechend des Grundgesetzes - das Volk seine Abgeordnete wählen darf?

Das BVerfG wäre sicher schon angerufen worden, wenn sich der Gesetzgeber nicht an die Verfassung (bei uns an das Grundgesetz) halten würde. Wenn das Volk mit der Arbeit der Abgeordneten nicht einverstanden ist, kann es in der nächsten Wahl andere Abgeordnete wählen, oder einer Partei die Stühle vor dem Bundestag stellen. Die FDP dürfte doch jetzt genau diese Erfahrung machen.

Direkt kann sich das Volk nur durch Wahlen und Abstimmungen beteiligen. Wo also ist das Problem?

Zurück zu Uli H.:

Wie am Freitag das ZDF-Politbarometer gesendet hat, finden 56% die Gefängnissrafe für richtig. 17 % wären für eine Bewährungsstrafe, 21 % sprachen sich für die Geldstrafe aus und nur 1 % wären für einen Freispruch gewesen.

Warum sollte jetzt im Fall Uli H. der Gesetzgeber tätig werden, wenn der überwiegende Teil der Befragten im Polit-Barometer für die Gefängnistrafe war?

Steuerhinterzieher sind Kriminelle und gehören in den Knast. :devil:

Dies meine nicht nur ich, sondern 56% der Befragten.
Roni
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Roni »

Das Volk wählt zwar die Abgeordneten, aber die Abgeordneten sind dem Volk gegenüber nicht rechenschaftspflichtig.

Das Volk soll sich mal nicht wichtiger nehmen als es tatsächlich ist.


das ist doch mal wieder eine eindeutige Aussage 8)
carn
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von carn »

Redfox hat geschrieben:
carn hat geschrieben:Und ein weiteres Problem bei der Steuerhinterziehung ist, dass hier ein vollständiger Täter-Opfer Ausgleich möglich ist. Es verbleibt kein Schaden, solange halt der betreffende die Zinsen und Nachzahlung aufbringen kann. Als Erinnerung, der ewige Kanzler hat seiner Partei auch mal 6.3 Millionen Schaden verursacht. Den hat er vollständig von sich aus beglichen. Macht da eine Haftstrafe wegen Untreue irgendeinen Sinn?
Beio Vermögensdelikten ist immer ein vollständiger Täter-Opfer-Ausgleich möglich.
Nein, wer einem Anlagebetrüger auf dem Leim geht und dann erst 5 Jahre später durch den Schadensersatz die Sicherheit hat, nicht im Alter am Hungertuch nagen zu müssen, dem bleiben die 5 Jahre Stress und Sorgen. Das kann der Täter nicht wieder in Ordnung bringen. Es gibt neben dem finanziellen Schaden auch immaterielle Schäden.

Beim Steuerbetrüger hingegen weiß das Opfer hingegen häufig gar nicht von der einzelnen Tat, vor allem im hiesigen Fall hatte der Täter ja einfach mit Geldern auf einem Konto gezockt von denen niemand was wusste. Wäre der Täter vor 2 Jahren tot umgefallen, hätte das Opfer von der Tat vielleicht nie erfahren. Wenn das Opfer aber in keiner Weise von der Tat mitbekommt, dann ist eine vollständiger Ausgleich möglich. Einzig, dass das Opfer wegen der Masse der Betrüger eine Steuerfahndung braucht, ist ein ebenfalls vom Täter nicht behebarer Schaden, aber den kann man eigentlich nicht dem einzelnen Täter zurechnen (sonst wäre es lustig welche Forderungen Geschäfte gegen Ladendiebe erheben könnten)
Redfox hat geschrieben: Sollten wir also daher auf die strafrechtliche Verfolgung von Vermögensdelikten verzichten?
Nein. Aber man sollte eine Gesetzeslage oder auch Rechtspraxis vermeiden, bei der es öfters vorkommen kann, dass ein wenn auch unvollständig selbstanzeigender, geständiger, aufklärungswilliger und wiedergutmachungswilliger Steuerhinterzieher, der ein Ersttäter ist, trotz des niedrigeren gesetzlichen Strafrahmens von 0.5 bis 10 Jahre zu einer genauso langen Haftstrafe verurteilt wird, wie ein mehrfach vorbestrafter, nicht selbstanzeigender und spät geständiger Täter, der eine 12-jährige überfällt und vergewaltigt, wobei sein möglicher Strafrahmen 2 bis 15 Jahre sind.

Aber darauf steuern wir zu, denn während es keine Bestrebungen gibt, den Richtern klar zu machen, dass 2 bis 15 Jahre heißt, dass man auch mal 8 geben kann, wird den Richtern von Politik und Medien rauf und runter erzählt, dass es noch mehr Härte gegen Steuerhinterzieher braucht.

Was Hätte Höneß bekommen, wenn man ihm erst durch Ermittlungen und Hausdurchsuchungen auf die Schliche gekommen wäre und er nicht geständig gewesen wäre? 8 Jahre? 10 Jahre?

Und was muss ein Kindervergewaltiger tun, damit er die 10 packt?
http://www.bild.de/news/2009/urteil/mae ... .bild.html
Das Mädchen mit dem Auto vom Fahrrad rammen und sie danach vergewaltigen.

Mit dem Auto vom Fahrrad rammen und danach vergewaltigen, ist also nicht genug, damit der Strafrahmen voll ausgeschöpft wird. Aber bei einem nichtgeständigen Höneß wäre fast voll ausgeschöpft worden?
carn
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von carn »

juggernaut hat geschrieben: man kann einen raubüberfall nicht mit einer steuerhinterziehung vergleichen, schon gar nicht über das tatsächlich verhängte strafmass.
Das hieße also, es stünde dem Staat frei, statt Raub mit 1 bis 15 und schwere Steuerhinterziehung mit 0.5 bis 10, Raub mit 0.5 bis 10 und schwere Steuerhinterziehung mit 1 bis 15 zu ahnden?

Denn wenn wir nicht verlgeichen könnten, könnten wir niemals sagen "Raub ist doch schlimmer als Steuerhinterziehung, folglich darf es nicht den niedrigeren Strafrahmen haben.".

Wenn wir aber sagen könnten, dass eine niedriger Strafrahmen für Raub falsch wäre, dann können wir auch vergleichen.


Und beim Einzelfall muss man eben die üblichen mildernden und verschärfenden Umstände anschauen, Ersttäter, Geständig, hat sich selbst gestellt, Reue, kriminelle Energie, Geisteszustand, etc. Ich kann nicht erkennen, dass Höneß diesbezüglich schlecht abschneidet. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass der mehrfach vorbestrafte Täter, der die 12-jährige vergewaltigt hat, da besser abgeschnitten hat als Höneß. Das muss er aber, denn er bekam 3.5 von 2 bis 15 und Höneß 3.5 von 0.5 bis 10 (bzw. 3.5 von GS bis 5 je nach Lesart).

Und das höchstrichterlich eine Strafrahmen von 2 bis 10 Jahren bei Delikten mit über 1 Million Schaden zumindest angedeutet ist, missfällt mir dazu noch separat.
juggernaut hat geschrieben:
- die fehlende reflexion über die subjektivität des persönlichen unwertempfindens. für den einen sind kinderschänder aufzuhängen, für den anderen vergewaltiger, und für den dritten steuerverschwender oder -hinterzieher, der vierte meint gar, er habe verständnis für selbstjustiz (wie im falle bachmaier) und würde die auf bewährung davonkommnen lassen; der fünfte findet drogendealer das allerletzte. genau auf diese subjektivität kann der gesetzgeber, vor dem bekanntlich alle gleich sind, nun schon mal gar keine rücksicht nehmen, wohin das führt, konnte man schön im 3. reich oder der DDR (erschossen wegen "republikflucht") sehen.
Es geht mir hier nicht um die Subjektivität. Sondern um den Maßstab, der letztlich durch den Staat in Form von Strafhöhen vorgegeben wird.

Die Verfolgung von Steuerhinterziehern dient dem Schutz des Staates, der Gemeinschaft oder der Allgemeinheit. Die Verfolgung von Vergewaltigern, Kinderschändern und Räubern dient vor allem dem Schutz des Individuums. Wenn der Staat bei ersterem zu hart straft (nein, er soll nicht nicht strafen, nur bei der Härte aufpassen), bringt er damit zum Ausdruck, dass der Staat, die Gemeinschaft oder die Allgemeinheit wichtiger ist als das Individuum.
juggernaut
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von juggernaut »

carn hat geschrieben:
juggernaut hat geschrieben: man kann einen raubüberfall nicht mit einer steuerhinterziehung vergleichen, schon gar nicht über das tatsächlich verhängte strafmass.
Das hieße also, es stünde dem Staat frei, statt Raub mit 1 bis 15 und schwere Steuerhinterziehung mit 0.5 bis 10, Raub mit 0.5 bis 10 und schwere Steuerhinterziehung mit 1 bis 15 zu ahnden?
im prinzip ja. (ich gehe davon aus, dass du mit "staat" die legislative und nicht die judikative meinst).
carn hat geschrieben:Denn wenn wir nicht verlgeichen könnten, könnten wir niemals sagen "Raub ist doch schlimmer als Steuerhinterziehung, folglich darf es nicht den niedrigeren Strafrahmen haben.".
doch, ich kann mittels der sog. typisierenden betrachtungsweise sozusagen den unwertgehalt eines "standardmäßigen raubes" und einer "standardmäßigen steuerhinterziehung" vergleichen. dabei wird u.a. auch anzahl und "wertigkeit" der verletzten rechtsgüter verglichen. gleichzeitig muss ich aber auch genügend spielraum lassen, um eben zu berücksichtigen, dass ich aus einer reihe zahlen einen statistischen mittelwert bilden kann, der in dieser reihe zahlen selbst gar nicht enthalten ist, den es also "in echt" gar nicht gibt (der mittelwert der reihe 2,4,6,8,10,11 beträgt 6,833 und ist in der reihe selbst gar nicht enthalten).

dabei vergleiche ich aber nicht die jeweiligen einzelfälle!, sondern sozusagen den archetyp des jeweiligen delikts.

bei diesem unwerturteil (wie schlimm ist ein raub?) handelt es sich, wenn man so will, um eine art gesellschaftlichen konsens. der kann sich ändern, und er ändert sich ja auch laufend - bis 1969 war z.B. die sog. "kuppelei" strafbar, und den ex-175er kennst du bestimmt auch noch.

entsprechendes lebensalter vorausgesetzt dürftest du die grösste aller diskussionen um genau dieses problem mglw. mitbekommen haben, nämlich die abtreibungsdebatte in den 80ern, die sich genau mit dieser frage beschäftigte: unter welchen umständen und wieso überhaupt kommt der abtreibung ein dermassener unwert zu, dass ich sie bestrafen muss? die diskussion selbst zeigte sehr gut, dass (a) der gesellschaftliche diskurs funktioniert, und (b) dass es manchmal schon schwierig ist, den gesellschaftlichen konsens überhaupt zu bestimmen. das gilt insbesondere von den delicta mare prohibita (im unterschied zu den delicta mala per se), wie die kriminologen das unterscheiden.
juggernaut
Redfox hat geschrieben:Das ist ein Irrtum. Beamte arbeiten nicht. Sondern ... machen sonstwas. Aber arbeiten tun sie nicht.
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von windalf »

Dieses Prinzip macht man jetzt mit jeder anderen Straftat. Dass es bei hunderten Straftatbeständen zu Überschneidungen kommen muss, liegt in der Natur der Sache. Da wir Freiheitsstrafen nur bis "lebenslänglich" verhängen können (im Gegensatz zu den albernen Amerikanern mit ihrem 50x lebenslänglich), müssen also alle Straftaten sich den geringen Platz von Null bis Lebenslänglich teilen. Bis hierin ist es imho alles strenge Logik.
Ich darf mal noch folgende Erweiterung andeuten die bisher nicht diskutiert wurde. Es mag sein, dass es nicht sinnvoll ist mehr als nur lebenslänglich zu verhängen und man in diesem Rahmen bleiben muss. Hinsichtlich der Ausgestalltung und Rahmenbedingungen dieser Zeit sind doch aber den Gestalltungsmöglichkeiten eigenltich kaum Grenzen gesetzt.

So könnte man doch jemanden der quasi 100 mal Lebenslänglich bekommen sollte (es aber nicht kann weil er keine 100 Leben hat) eine entsprechend unschönere Haftzeit zukommen lassen als anderen...
...fleißig wie zwei Weißbrote
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Zitat Karsten: Das beweist vor Allem, dass es windalf auch nicht gibt.
Tastenspitz
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Tastenspitz »

windalf hat geschrieben:eine entsprechend unschönere Haftzeit zukommen lassen als anderen...
:lachen:
Zimmer zur Nordseite, nur Halbpension und frische Wäsche gibts nur bei Vollmond?
juggernaut
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Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von juggernaut »

der umstand, mehr als 1x lebenslänglich bekommen zu können, mag uns komisch anmuten, hat allerdings sowohl eine gewisse logik als auch konsequenzen für den verurteilten.

denn während bei uns "lebenslänglich" die höchststrafe ist und deshalb irgendwie mehr als "max" nicht geht, ist bzw. war das in den USA nicht so - schließlich gibt bzw. gab es noch die todesstrafe. und zwischen 1x lebenslänglich und 1x todesstrafe kann man durchaus weitere abstufungen sehen, zumal die anzahl der "lebenslangen" haftstrafen sehr wohl konsequenzen hat, nämlich auf die möglichkeit der strafaussetzung zur bewährung und das gnadenrecht. es ist also keineswegs so, dass 2x lebenslänglich dasselbe ist wie nur 1x. (OK; unserem EGMR würde sich der magen umdrehen, wenn man das aktuelle öcalan-urteil ansieht, aber das muss die amis ja nicht interessieren.).

schlußendlich dient es auch ein wenig der genugtuung der verletzten, denn für jeden einzelnen verlust hat es sozusagen auch eine einzelstrafe gegeben. ich kann das mangels eigenem erleben nicht nachvollziehen, aber mir durchaus vorstellen, dass es ein wenig genugtuung gibt, dass für jeden der 20 morde auch eine eigene strafe verhängt wurde und nicht 19 morde "unter den tisch fallen", weil man ja nicht mehr als 1 leben sitzen kann. bei uns wäre aktuell der NSU-prozess so ein beispiel - was, wenn die StA die morde #7-11 gar nicht erst angeklagt hätte, weil es ja eh nur 1x lebenslang gibt?
juggernaut
Redfox hat geschrieben:Das ist ein Irrtum. Beamte arbeiten nicht. Sondern ... machen sonstwas. Aber arbeiten tun sie nicht.
Mount'N'Update

Re: Schön, dass Strafen zu Schwere der Schuld passen!

Beitrag von Mount'N'Update »

Ich kann carms Unverständnis schon nachvollziehen. Wenn man so was wie ein "natürliches Rechtsempfinden" hat, und darunter verstehe ich, ich habe keine Ahnung, mache mir aber so Gedanken, dann fragt man sich schon, warum ein Steuerhinterzieher genau so eine hohe Strafe bekommt wie einer, der kleine Mädchen oder blinde Frauen vergewaltigt.

Meine persönliche Erfahrung ist die, dass die Gerichte im Regelfall durchaus nachvollziehbar begründen können, warum der Angeklagte keine längere oder kürzere Freiheitsstrafe bekommen hat. Doch diejenigen, die das Urteil für viel zu mild halten, haben aus meiner Sicht nur schwache Argumente. Sie gehen nur von der hohen Summe aus, doch ist der Schaden erst dann eingetreten, wenn der Täter nicht in der Lage oder gar nicht willens ist, diesen auszugleichen.

Und was Lebenslänglich angeht: Da wir alle nur ein Leben haben, würde einmal Lebenslänglich schon ausreichen. Zudem gibt es in Deutschland immer die Perspektive, irgendwann wieder frei zu sein. Ich glaube nicht, dass sich ein Staat, der von sich behauptet, ein Rechtsstaat zu sein, leisten kann, von vornherein zu verfügen, Menschen für den Rest ihrer Tage wegzusperren, so sehr auch das erwähnte "natürliche Rechtsempfinden" etwas anderes will. Darum kann die USA für uns kein Maßstab sein.
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