Charon- hat geschrieben:carn hat geschrieben:etwa 20% aller Euthanasiefälle sollen ENTGEGEN DEM GESETZ nicht der zuständigen Kommission berichtet werden
Sagt wer?
http://www.thelancet.com/journals/lance ... 4/abstract
"In 2010, 77% (3136 of 4050) of all cases of euthanasia or physician-assisted suicide were reported to a review committee (80% [1933 of 2425] in 2005)."
100%-77% = 23% werden nicht berichtet.
Charon- hat geschrieben:
carn hat geschrieben:letztlich kaum oder gar nicht mehr durchgesetzt werden
Ist im vorliegenden Fall ja nicht geschehen, im Gegenteil.
Das ist eben abzuwarten; aber da möglicherweise 20%+ aller Fälle von aktiver Sterbehilfe entgegen dem Gesetz möglicherweise nicht der zuständigen Kommission gemeldet werden, womit JEDER EINZELNE SOLCHER FALL mit bis zu 12 JAHREN HAFT zu ahnden wäre (und das sind über die Jahre tausende Fälle), ist eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Durchsetzung der Gesetze seitens der Behörden nicht vollkommen unangemessen.
Charon- hat geschrieben:
carn hat geschrieben:Wenn es zu starkem Anstieg von Fallzahlen kommt
Es ist ein "Dammbruch", wenn mehr Leute ein gesetzlich zugelassenes Mittel nutzen?
Nein, weshalb ich ja die Einschränkung im Nebensatz angefügt habe.
Charon- hat geschrieben:
carn hat geschrieben: der wohl auf eine drastische Verschiebung der Gründe hindeutet
Ähm, wie wäre es, wenn man im Falle steigender Fallzahlen erstmal untersucht, woran es liegt, anstatt direkt aus den Fallzahlen die Schlußfolgerung zu ziehen, die dazu passen? Gestiegene Fallzahlen könnten ja auch daraus resultieren, dass mehr Leute aus z.B. Deutschland in die Niederlande reisen, um die gesetzlichen Regelungen dort zu nutzen, weil es in Deutschland diese Rechtslage nicht gibt.
Richtig; mit der Formulierung meinte ich, dass es darauf ankommt, ob die genauere Untersuchung des Anstiegs sowas ergibt oder zumindest stark darauf hindeutet. edit: Aber man sollte einen starken Anstieg auf jeden Fall dahingehend untersuchen.
Charon- hat geschrieben:
carn hat geschrieben:Die Kommission hat keine Ermittlungsbefugnisse; wenigstens keine Durchsuchungen und ähnliches
Dass die Kommission keine Ermittlungsbefugnisse hat, steht wo? Und was willst du mit diesen Durchsuchungen, die Tat ist unstreitig, auch der Tatablauf ist in keiner Weise zweifelhaft, alles, was hier zu prüfen ist, ist ein evtl. Rechtfertigungsgrund. Im Übrigen habe ich Zweifel daran, dass die Kommission keine Zeugen befragen kann bzw. dies nicht gemacht hat, bevor sie entscheidet, dass die ethischen Grenzen überschritten wurden.
Habe bisher nie irgendwo was darüber gelesen, dass die Kommission andere Befugnisse hat als eben die Ärzteberichte zu lesen und entweder an Sta weiterzuleiten oder es sein zu lassen, wenn eben nichts bedenkliches ersichtlich ist. Sie soll gerade keine quasi Staatsanwaltschaft sein, sondern eine Ethikkommission.
Da es ferner in Rechtsstaaten eher unüblich ist, Ermittlungsbefugnisse von Polizei und Staatsanwaltschaft auf Dritte zu übertragen, ist die Vermutung, diese Kommission hätte solche Befugnisse, des Belegs bedürftig und nicht umgekehrt; ferner fand sich im betreffenden oben verlinkten englisch übersetzten Gesetzestext hinsichtlich Sterbehilfe nichts davon.
Und bezüglich letzterem, seit wann verzichten Polizei und Staatsanwaltschaft darauf irgendwas über die Aussage desjenigen hinaus zu ermitteln, der sich ggf. eines Tötungsdeliktes schuldig gemacht hat?
Also Anruf bei Polizei:
"Hallo, hab Einbrecher mit legaler Schusswaffe in Notwehr erschossen; er hatte ein Messer dabei und wollte mich angreifen. Meine Frau will jetzt bald sauber machen, wann kann die Leiche weggeräumt werden?"
Polizei:
"Kein Problem, da sich aus ihrer Aussage nichts ergibt, dass sie nicht in Notwehr gehandelt haben, erübrigen sich natürlich weitere Untersuchungen; Streife und Leichenwagen dürften in 1 Stunde da sein, um die Leiche abzuholen, danach kann ihre Frau alles schön gründlich sauber schruppen; ihre legale Schusswaffe sollten sie jetzt schon mal wieder ordnungsgemäß wegschließen, ihre Unterlagen hinsichtlich der Waffe müssen sie aber nicht unbedingt bereithalten, sie haben ja gesagt, dass es eine legale war; einen schönen Tag noch."
So sollte das üblicherweise in einem Rechtsstaat ablaufen?
Ernsthaft?
Charon- hat geschrieben:
carn hat geschrieben: Nur dazu ist es eigentlich zwingend, Unterlagen zu sichten [..] und Zeugen zu befragen
Und woher nimmst du nun wieder das Wissen, dass die Kommission, bzw. die StA dies nicht bereits getan hat?
Einerseits, dass ich nie irgendwo gelesen habe, dass die sowas machen; und andererseits, dass die kaum Zeit dafür haben dürften, dass in vielen Fällen zu tun; die sind personell gar nicht zu anderem in der Lage als Berichte zu lesen und ggf. telefonisch oder schriftlich nachzufragen.
Die hocken ja auch geografisch nicht überall und können deshalb gar nicht einfach irgendwen laden oder irgendwo Unterlagen beschlagnahmen.
Charon- hat geschrieben:
carn hat geschrieben:Und wenn ein relevanter Prozentsatz der Euthanasiefälle entgegen dem Gesetz nicht der Kommission gemeldet würden?
Wenn eine Tötung auf Verlangen nicht gemeldet wird, handelt es sich um Mord und damit ein Verbrechen, schlicht und ergreifend. Auch dann wäre es aber kein Dammbruch, ein Dammbruch wäre es erst, wenn ein solcher Fall bekannt wird, die StA aber nicht handelt, weil man davon ausgeht, dass bei rechtzeitiger Bekanntgabe an die Kommission diese kein Problem gesehen hätte.
Tja; in Anbetracht der obigen Lancet Studie, die behauptet 23% der Fälle 2010, was dann sowas wie 600 waren, seien nicht gemeldet worden, geschah meines Wissens absolut gar nichts.
Ich gehe davon aus, dass wenn irgendeine Polizeistelle oder Staatsanwaltschaft irgendwo in D erfahren würde, dass ca. 6000 mögliche Notwehrfälle mit tödlichem Ausgang pro JAHR in D den Behörden nicht zur Kenntnis gelangen, sondern die Leichen halt einfach so entsorgt werden, dass dann die betreffende Stelle irgendwas deswegen tun würde (ich nehme hier mal an, dass jemand der in Notwehr tötet im Prinzip eine Pflicht hätte, das den Behörden zu melden, statt die Leiche einfach zu verscharren und die Tötung zu verschleiern; ist zwar meines Wissens nirgendwo explizit, aber in der Praxis existiert eine solche Pflicht alleine schon, weil einem das Nachher keiner mit der Notwehr glaubt, wenn man heimlich die Leiche verscharrt).
edit:
Noch zwei weitere Information aus einem weiteren Artikel:
https://www.thescottishsun.co.uk/news/5 ... nel-rules/
"Paperwork, which was given to a Regional Review Committee, showed that the only way the doctor could complete the injection was by getting family members to help restrain the patient.
It was also revealed that the patient said “I don’t want to die” several times before she was put to death and the doctor did not speak to her about what was planned as she did not want to cause unnecessary distress."
"Paperwork, which was given ..." erweckt zumindest den Eindruck, dass da wirklich nicht mehr passiert ist, als dass es eben einen Bericht an die Kommission gab und sonst nichts.
Und es geht zwar nicht klar hervor, wie zeitlich nah die Patientenaussagen "I don't want to die" zu dem eigentlichen Ereignis waren; aber wenn jemand zeitlich zumindest nicht fern sagt, dass er nicht sterben will, und dann bei Vornahme der aktiven Sterbehilfe sich aktiv dagegen wehrt, erscheint es zumindest denkbar, dass derjenige in dem Augenblick schon eine grobe Vorstellung hatte, dass er gerade getötet werden soll und dass er gerade dagegen Einwände hat.
Sowas sollte man genau untersuchen, vor allem auch durch Befragung der noch lebenden Zeugen des Vorgangs, um dann beurteilen zu können, ob Gegenwehr und "I don't want to die" sowie die zeitliche Nähe letzteren zu ersterem eventuell darauf hindeuten, dass die Tötung entgegen dem Willen der Getöteten erfolgte.
Ferner schlöße auch die Erkenntnis, dass die Betreffende gerade fantasierte von einem Tentakelmonster getötet zu werden, einen der Tötung entgegenstehenden Willen nicht aus; denn wer gerade von einem Tentakelmonster nicht getötet werden will, der will üblicherweise gerade überhaupt nicht getötet werden, womit es irrelevant sein könnte, wenns eben doch eine fürsorgliche Ärztin statt einem Tentakelmonster war.