Psyichisch-krank und Kredite?

Kundenrechte und –pflichten, Bankrechte und –pflichten, Verbraucherkreditrecht, Kreditabwicklung

Moderator: FDR-Team

Kannichtklagen
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Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Kannichtklagen »

Eine Frau mit einer gesicherter Bipolarer Störung (Manisch-Depressiv) rennt zu drei Banken und schließt Verbraucherkredite in Höhe von 25.000 Euro ab. Die Banken geben gerne das Geld, denn die Dame kann eine hohe monatliche Rente und eine bezahlte Eigentumswohnung als Sicherheit vorweisen.

Die besagten 25.000 Euro werden innerhalb eines Jahres in ihrer manischen Phase verprasst. Kontoauszüge belegen reichliche Bargeldabhebungen. Sachwerte oder Quittungen liegen nicht vor. Wir müssen davon ausgehen, dass das Geld unwiderbringlich verloren ist. Der Zustand der Frau verschlechtert sich, sie befindet sich nun seit mehreren Monaten in geschlossener psychiatrischer Behandlung, ob sie jemals wieder alleine leben kann steht in den Sternen. Eine gerichtliche Betreuung wird angeregt, lag aber zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse nicht vor.

Frage: besteht die Möglichkeit die Verträge anzufechten? Wie ist die Rechtslage?
ExDevil67
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von ExDevil67 »

Kannichtklagen hat geschrieben: Wie ist die Rechtslage?
Pacta sunt servanda.
Kannichtklagen hat geschrieben: Eine gerichtliche Betreuung wird angeregt, lag aber zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse nicht vor.
Keine Betreuung = volle Verantwortung. Und nachträglich noch nachweisen zu können das die Betroffenen nicht wusste was sie tat dürfte nahezu aussichtslos sen.
BäckerHD
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von BäckerHD »

@ Kannichtklagen: Was verlangen Sie eigentlich? Dass die Kreditsachbearbeiter psychische Krankheitsbilder erkennen, noch bevor Ärzte diese attestieren, und dass damit die Verträge nichtig sind?
Kannichtklagen
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Kannichtklagen »

Ich verlange gar nichts. Ich fragte nach der Rechtslage.
Redfox

Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Redfox »

Dazu findet man etwas in § 104 Nr. 2 BGB: Geschäftsunfähig ist, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

Gem. § 105 Abs. 1 BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig.

Die Beweislast hat derjenige, der die Geschäftsfähigkeit bezweifelt, siehe BGH, Urteil vom 5.12.1995 - XI ZR 70/95 (auch zu einem Kreditvertrag).

Ggf. sind auch Ansprüche, die auf einer möglicherweise erfolgten Falschberatung folgen könnten, zu prüfen.
Kannichtklagen
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Kannichtklagen »

Danke für die erste Einschätzung. Ich lege der Betroffenen nahe, die Sache von einem Anwalt prüfen zu lassen.
Elyss
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Elyss »

Es ist allerdings äußerst schwierig einen Beweis zu führen, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit geschäftsunfähig war.
Grüßle

Elyss
Newbie2007
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Newbie2007 »

ExDevil67 hat geschrieben: Keine Betreuung = volle Verantwortung.
Das stimmt weder in der einen noch der anderen Richtung.

Einerseits kann eine Geschäftsunfähigkeit (mit der Folge, dass abgeschlossene Verträge nichtig sind) auch dann bestehen, wenn jemand (noch) keinen Betreuer hat, siehe §104 BGB.

Andererseits lässt sich aus der Existenz eines Betreuer nicht automatisch auf Geschäftsunfähigkeit schließen, siehe §1896 BGB (und dort insbesondere Abs. 1 Satz 3).
Und nachträglich noch nachweisen zu können das die Betroffenen nicht wusste was sie tat dürfte nahezu aussichtslosen.
Wieso denn nicht? Laut Sachverhalt wurde die Diagnose schon vor dem Abschluss der Kreditverträge gestellt.
BäckerHD hat geschrieben:@ Kannichtklagen: Was verlangen Sie eigentlich? Dass die Kreditsachbearbeiter psychische Krankheitsbilder erkennen, noch bevor Ärzte diese attestieren, und dass damit die Verträge nichtig sind?
In den meisten Fällen kann man durchaus erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt. Wenn das ausnahmsweise mal nicht so ist, hat die Bank halt Pech gehabt. Geschäftsrisiko.
webelch
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von webelch »

Den Beweis hat aber auch weiterhin der zu führen, der hier die Geschäftsfähigkeit bestreitet. Dass die Diagnose vor Abschluss des Vertrages lag, mag ein erstes Indiz sein. Den Rest mag ein versierter FAchanwalt betrachten.

Wenn ich
Kannichtklagen hat geschrieben:Eine gerichtliche Betreuung wird angeregt,...
lese, steht die Dame immer noch nicht unter Betreuung.
Newbie2007
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Newbie2007 »

Das Problem tritt immer wieder mal auf und wird in Zukunft noch viel häufiger auftreten, Stichwort: Altersdemenz. Diese wird oft erst diagnostiziert, wenn sie schon relativ weit fortgeschritten ist, aber natürlich lag dann schon eine Zeitlang Geschäftsunfähigkeit vor.

Letzten Endes kommt es hier auf die Stellungnahme des Gutachters im Verfahren an. Wobei es aber durchaus sein kann, dass die Bank schon vorher klein beigibt, wenn sie aufgrund der vorliegenden Fakten zu dem Schluss kommt, dass sie in einem Prozess wahrscheinlich verlieren wird.

Zu den Rechtsfolgen siehe Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23.6.1998, Az. 1 U 697/98.
webelch
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von webelch »

Altersdemenz und eine bipolare Störung unterscheiden sich aber durchaus. Hier ist nach einem ausführlichen Gespräch mit einem Anwalt das Gutachten und das Urteil in einem ggfs anzustrengenden Prozess abzuwarten.
questionable content
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von questionable content »

Eine psychische Erkrankung bedeutet keine Geschäftsunfähigkeit.

Gerade wenn die betreffende Person eine Diagnose hatte und unter ärztlicher Aufsicht war ohne dass der Arzt die Reissleine gezogen hat, sprich im Regelfall *gerade dies* dafür, dass es nicht so schlimm war, dass man Geschäftsunfähigkeit annehmen könnte.

Aus dem Ergebnis "Kredite aufnehmen" und "Geld verprassen" kann man nicht auf Geschäftsunfähigkeit schließen. Sparsamkeit ist nicht per se ein Zeichen der Vernunft, das Verleben von Sparvermögen oder Aufnahme von Krediten kein Zeichen von der Geschäftsunfähigkeit. Ansonsten könnte man wohl von jedem Kreuzfahrtschiff, Luxushotel oder gehobenen Nachtclub gleich den Shuttleservie in die Geschlossene einrichten und wir hätten einen exklatanten Mangel an Kommunalpolitikern.
Few people are capable of expressing with equanimity opinions which differ from the prejudices of their social environment. Most people are even incapable of forming such opinions.
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Rolf22 »

Shuttleservie in die Geschlossene einrichten und wir hätten einen exklatanten Mangel an Kommunalpolitikern.
:lachen: :lachen: :lachen:
Newbie2007
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Newbie2007 »

questionable content hat geschrieben: Gerade wenn die betreffende Person eine Diagnose hatte und unter ärztlicher Aufsicht war
Sie verwechseln da etwas. Wenn die Person nicht gerade in der Geschlossenen lebt, steht sie nicht "unter ärztlicher Aufsicht". Der Arzt beaufsichtigt nur die Behandlung (welche Massnahmen getroffen werden, sowie die korrekte Durchführung), nicht den Patienten. Insbesondere hat der Arzt gegenüber seinem Patienten keine Kontrollbefugnisse oder gar -pflichten (*). Wenn der Patient seine Probleme verschweigt (ziemlich wahrscheinlich, da sie in dem Zustand nicht als Probleme erkannt werden), kann der Arzt auch nichts machen.


(*) Und wenn es doch so wäre, würde das die interessante Frage aufwerfen, ob der Arzt nicht vielleicht für den Schaden der Bank haften müsste...
Baden-57
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Re: Psyichisch-krank und Kredite?

Beitrag von Baden-57 »

Eine psychische Erkrankung ist nicht gleichbedeutend mit einer Geschäftsunfähigkeit!
Das ist die Rechtslage.


25.000 € in einem Jahr? Da gibt es Leute, die verprassen so was in einer Woche!

Es gibt keine gerichtliche Betreuung, aber das Betreuungsgericht kann eine "rechtliche Betreuung" anordnen, das ist ein Unterschied.

lG
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